Lärmgeplagt in Indien

Laute Trommelschläge dröhnen durch unser Quartier. „Was ist denn schon wieder los?“, frage ich mich genervt. Es ist die Frau mit ihren drei Kindern. Während die junge Mutter die Trommel schlägt, liegt ein Baby auf ihrem Schoss und die beiden älteren Kinder, ein Junge und ein Mädchen, beide sicherlich schon längst im Schulalter, müssen auf der schmutzigen Straße Kunststückchen vorführen. Ein Purzelbaum, eine Brücke, ein Rad, … nichts Großartiges, das einem in Erstaunen versetzen würde. Die Kinder sollten längst wieder in der Schule sein und müssen nun dafür herhalten, einige Rupees zu verdienen. Nach der Minivorstellung geht das hartnäckige Betteln um einige Münzen los. Die beiden Kids gehen von Gate zu Gate und klopfen mit ihren Metallgefäßen ohne Ende an die Tore.

Da ist man wirklich zwiegespalten, ob man was geben soll oder eben nicht. Doch für mich ist klar, dass ich dies nicht unterstützen möchte. Das ist Kinderarbeit, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht danach aussieht. Während des Lockdowns waren sie einige Male da. Damals ließ ich mich erweichen und gab gerne etwas, denn die Schulen waren geschlossen und viele hatten ihre Arbeit verloren.

Meine Schwiegermutter hingegen ruft das Mädchen zu sich und zeigt Erbarmen. Nun klimpern einige Münzen in ihrer Schale, ich kann es hören. Das Geklopfe geht noch etwas weiter und schließlich wird es still. Sie sind weitergezogen …

Für lärmempfindliche Seelen ist Indien definitiv nicht das richtige Land. Natürlich gibt es auch ruhige Ecken. Irgendwo weit weg von den Großstädten auf dem Land oder in einem Ashram (eine Art hinduistisches Kloster) geht es friedlicher zu.

Inder machen viel Lärm und Krach und scheinen sich darüber nicht groß zu stören. Wie die indische Bevölkerung nimmt nach meinem Empfinden auch die Lärmbelästigung ständig zu. Grade sind wir wieder geplagt von Baulärm. Nicht weit von uns ist eine Baustelle und die Nachbarn lassen ihre Dachterrasse neu machen. Von Ruhezeiten hat man hier noch nie etwas gehört. So kann es sein, dass auch während der Siesta ein Pressluftbohrer das Nachmittagsschläfchen versüßt.

Doch damit nicht genug! Was da inzwischen alles durch unser Quartier kommt. Viele Verkäufer fahren und laufen mit ihren Waren direkt durch die Straßen und bieten diese feil. „Samathi, Malli Poo, …“ schreien mit lauten Stimmen die Blumenfrauen bereits am frühen Morgen. Gemüse, Früchte, Kokosnüsse, frische Idly Appam, Matten, Kolampulver … fast alles kann man inzwischen von den Straßenhändlern kaufen.

Auch unsere neuen elektrischen Abfall-Tuk-Tuks, die ich so toll finde, fahren morgens durchs Quartier. Leise und umweltfreundlich mit Strom, aber dafür mit einer lauten Trillerpfeife! So wird man etwa 10 Minuten darauf aufmerksam gemacht, dass man den Abfall jetzt bringen könnte.

Dazu kommen Dienstleister wie der Scheren- und Messerschleifer oder der Papiersammler, dem man sein Altpapier verkaufen kann.

Auch spirituell wird man immer wieder eingelullt. Entweder mit Musik von den nahe liegenden Hindutempeln, dem Gesang des Muezzins oder von dem Sri Sathya Baba-Wägelchen, das mit lauten Bhajans (Lobgesängen) mindestens 1 Mal pro Woche durch unser Wohnquartier fährt, um Spenden zu sammeln.

Neu haben viele dieser Verkäufer technisch aufgerüstet. Mit Mini-Lautsprechern, die den aufgenommenen Text ständig und ohne menschliche Anstrengung der Stimmbänder wiederholen, nerven sie die ganze Nachbarschaft oder wenigsten mich. Gottlob habe ich mich ziemlich adaptiert und bin ich inzwischen lärmresistenter, ansonsten würde ich in diesem Land wohl verrückt werden.

12 Antworten

        1. Das stimmt. Hier ist dies normal. Viele leben auch in sogenannten „Gated Communities“ – diese teilweise riesigen Anlagen werden rund um die Uhr von Securities bewacht und jeder Besucher muss sich anmelden und seine Angaben ins Gästebuch schreiben.

          1. Das stimmt schon. In ein richtig teures Quartier, wo die wirklich Reichen leben, da würde die Frau gar nicht reinkommen oder sofort von der Polizei weggewiesen. Arm und Reich klaffen hier in Indien sehr auseinander.

          2. Ein ganz kleiner Stadtteil. Unsere Colony hat nur 2 kleine Straßen, aber das ist alles frei zugänglich und nichts umzäunt. Wir leben in keiner Gated Community. Jedes Haus hat jedoch in der Regel eine Mauer ums Grundstück.

  1. Ich kann gut nachvollziehen was du meinst und habe es ja auch vor Ort erlebt. Hier aus Europa merke ich das immer nur, weil sich meine indischen Kollegen im Team-Call ständig muten 😉

      1. Oh ja, ist immer ein Vergnügen. Speziell der „Bengaluru Traffic“, die Vögel des Nachbarn und die Rufe in der Nachbarschaft. Ich mag es. Zumindest aus der Entfernung 😉

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