Gedanken über das Fotografieren in Indien

Ich fotografiere gerne und finde mit meinen Augen auch immer schöne Bildausschnitte, die es meiner Meinung nach Wert sind, auf Papier gebannt zu werden.

Meine Einstellung zum Fotografieren hat sich in den letzten Jahren jedoch grundsätzlich verändert. Mit der zunehmenden Digitalisierung hat meine Lust ziemlich abgenommen. Fotos zu machen. Fotografieren ist für jedermann so selbstverständlich geworden, dass es nichts Besonderes mehr ist. Auch mit einfachen Handykameras kann man mit etwas Geschick tolle Bilder knipsen. Als dann der Selfie-Kult aufkam, habe ich das Fotografieren praktisch aufgegeben. Durch das Beobachten der andern bekam ich das Gefühl, dass es gar nicht mehr um das Wesentliche, sondern nur noch um das perfekte Selfie ging. Das beeindruckende historische Gebäude oder die wunderschöne Landschaft scheint als Kulisse für die makellose Selbstdarstellung zu dienen.

Früher überlegte man sich gut, wann man den Auslöseknopf drückte. Der Bildausschnitt, das Sujet, das Licht und der Rahmen mussten stimmen, dass es sich lohnte, es sich wert war abzudrücken. Ich bin meilenweit davon entfernt, als gute Fotografin durchzugehen. Dafür bin ich an der Fotografie-Technik zu wenig interessiert. Trotzdem mache ich mir beim Fotografieren meiner Bilder einige Gedanken, bevor ich den Auslöser drücke. Jetzt im digitalen Zeitalter spielt dies jedoch für viele keine Rolle mehr. Man produziert Massenware. Man knipst schnell einige Bilder, eines wird schon passen und ansonsten kann ich es löschen und am PC oder Handy bearbeiten. Jeder möchte tolle Bilder, die er auf Facebook, Instagram, WhatsApp und Blogs mit seinen Liebsten und Followers teilen kann. Auch diejenigen, die immer noch Urlaubsfotobücher führen, sind stolz, wenn sie den Daheimgebliebenen schöne Urlaubsfotos präsentieren können.

Das Leben hier in Indien hat meinen Blick aufs Fotografieren verändert. Ich erinnere mich noch an mein erstes Jahr. Was ich da alles fotografiert habe! Alles erschien so neu, farbenprächtig und exotisch. All die Dinge, die ich entdeckte, die ich noch nie gesehen hatte. Im Nachhinein würde ich diese Phase als „Eine Schweizerin entdeckt Indien“ bezeichnen. Ganz im kolonialen Gedanken versuchte ich, alles Fremde und Exotische festzuhalten, zu dokumentieren.

Dass in dem ganzen Gefüge eigentlich ich die Fremde, die Exotin war, habe ich damals nicht wirklich verstanden.

So entstanden einige Fotos, auf die ich heute nicht mehr stolz bin. Gerne fotografierte ich heimlich, weil ich keine gestellten Szenen abbilden wollte. Heutzutage sind solche Bilder für mich ein No-Go. Beispielsweise habe ich einen wirklich guten Schnappschuss von einem spuckenden Mann geschossen. Möchtet ihr von euch ein Bild sehen, wo ihr in hohem Bogen auf den Boden spuckt?

Je mehr ich in die indische Kultur eintauchte, desto rücksichtsvoller und achtsamer wurde ich.

Viele Touristen erleben Indien als Fotografie-Paradies. Wie in einem Kaleidoskop werden so viele farbenprächtige und vielfältige Fotosujets geboten, dass jeder Hobbyfotograf auf Wolke Sieben schwebt. In Indien liefert der banale Alltag starke, einprägsame Bilder. Man hat freie Bahn zum Fotografieren, denn Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und das Recht am Bild sind kaum existent.

Ich kann diese Euphorie nachvollziehen, aber trotzdem finde ich es wichtig, dass man gewisse Regeln und Grenzen nicht überschreitet. Beim Fotografieren sollten die Kultur, die Bräuche und die Menschen in einer höflichen, respektvollen Art und Weise dargestellt werden.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie in Indien Anstand und Regeln, die im eigenen Land selbstverständlich sind, einfach über Bord geworfen werden.

Lustigerweise hat die digitale Welt ein anderes Phänomen hervorgebracht. Nun wird der Fotograf oder ausländische Tourist zunehmend zum Fotomotiv vieler Inder! Weiße Touristen und vor allem Touristinnen sind vor den indischen Smartphones nicht mehr sicher. Es wird heimlich fotografiert und ungeniert gefragt, ob man ein Selfie machen darf. Die Rollen werden gedreht, und plötzlich wird man als Tourist verletzlich, wird sozusagen zum Foto-Opfer.

Ich lasse mich sehr ungern fotografieren und lehne Selfies immer ab. Man weiß nie, was mit diesen Bildern passiert. Die Leute scheinen inzwischen zu spüren, dass ich keine Touristin bin und in meinem Alltag werde ich nicht nach Selfies gefragt. Angesprochen werde ich ganz selten, wenn wir in Indien reisen.

Ein Erlebnis hat mir auch die Augen geöffnet. Wir gingen Bowlen und waren in unser Spiel vertieft. Da meinte unser Sohn plötzlich: „Amma, die Männer filmen dich schon die ganze Zeit über!“ Sofort war mir so unwohl und mein Mann stinkesauer. Er ging zu der Gruppe Männer und bat sie umgehend die Filmaufnahmen zu löschen. Diese wollten zuerst kein Einsehen haben, und es gab eine große Sache. Erst als der Manager dazukam, löschten sie die Aufnahme und wurden des Platzes verwiesen.

Was ich nicht mag und als respektlos empfinde, wird mit Bestimmtheit auch für andere so sein.

Daher bin ich mit Aufnahmen von Menschen sehr zurückhaltend. Wenn mir ein Sujet wirklich gefällt, dann fotografiere ich nur, wenn ich um Erlaubnis gefragt habe oder wenn man das Gesicht nicht sieht.

Sich kritisch und selbstreflektierend mit diesem Thema zu befassen, macht vor einer Indienreise Sinn.

Nicht jeder und jede mag es fotografiert zu werden. Dies ist bei der indischen Bevölkerung nicht anders. Wenn man wirklich nachfragt, dann ist man überrascht, wie viele dies tatsächlich nicht möchten. In Indien ist schöne und saubere Kleidung wichtig. Daher lassen sich viele, vor allem Frauen nicht gerne in ihrer Arbeitskleidung fotografieren. Manche Inder (Sadhus, Schlangenbeschwörer …) haben aus dem Posieren für Touristen bereits eine Dienstleistung gemacht. Ein Foto gibt es nur gegen Bezahlung.

Wenn die mich heimlich fotografieren, dann habe ich das gleiche Recht!

So rechtfertigen sich viele als Gast in einem fremden Land. Ungeniert und ungefragt fotografieren sie Menschen und veröffentlichen diese ohne nachzudenken auf den sozialen Medien.

Doch auch die fotografierten Inderinnen und Inder haben keine Kontrolle darüber, was mit ihren Fotos passiert. Sie wissen nicht, wo und wann ihre Gesichter in sozialen Medien geteilt oder sogar in Ausstellungen präsentiert und verkauft werden. Sie haben keinen Einfluss darauf, was unter ihren Bildern steht und ob diese Texte stimmen oder einfach erfunden wurden. Würde ihnen dieses Recht, das wir für uns selbst beanspruchen, nicht auch zustehen?

Wie wäre es für euch, wenn an einer Beerdigung eines geliebten Menschen Touristen auftauchen würden, die euch beim Trauern zusehen und dies sogar fotografieren? Das wäre eine Respektlosigkeit sondergleichen oder nicht?

Warum sollte dies in Indien anders sein? Nur weil die religiösen Bräuche sich unterscheiden, bedeutet dies nicht, dass die Menschen weniger traurig sind. Die brennenden Scheiterhaufen am Manikarnika Ghat in Varanasi werden immer wieder zum Fotosujet. Am Ghat selbst ist das Fotografieren inzwischen verboten, aber vom Fluss aus ist dies alles kein Problem. Bilder von brennenden Toten, die in der Abenddämmerung leuchten. Die Inder haben so schöne farbige, eindrucksvolle Bräuche, die muss man aufs Foto bannen. Der Umgang mit dem Tod ist in Indien anders. Man sieht den Tod, man sieht den Leichnam, und man wird mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert.

Auch als Toter hat man in Indien keine Privatsphäre. Doch muss man dies wirklich fotografieren?

Stellt euch vor, dass ihr innig in ein Gebet vertieft seid. Möchtet ihr da fotografiert werden?

Viele Tempel haben daher inzwischen Fotografierverbote erlassen. Mit den Smartphones ist dies leider nicht mehr zu kontrollieren. Und ja, auch viele Inder setzen sich ungeniert über diese Verbote hinweg. Als Tourist und Gast sollte man sich meiner Meinung nach jedoch an Bestimmumgen halten. Das Fotografieren in Tempeln und religiösen Stätten sollte nur mit grosser Achtsamkeit und Respekt vonstattengehen, ansonsten macht man sich als Fremder sehr unbeliebt.

Auch die Bilder von Armut und Elend bieten eindrucksvolle Fotomotive, die mancher Reisende sich nicht entgehen lassen will. Wie voyeuristisch und forsch da viele vorgehen, kann ich manchmal kaum glauben. Die Privatsphäre armer Menschen wird ignoriert. Man fotografiert Menschen bei der Morgentoilette am Fluss und beim Kacken an den Bahngleisen. Würdet ihr so gerne abgelichtet werden?

Schlimm finde ich auch, wie selbstverständlich Bilder von bettelnden und armen Kindern gemacht werden. Kaum einer überlegt sich, ob dies ethisch richtig ist. Wie wäre es für euch, wenn eure Kinder beim Spielen einfach von Touristen fotografiert würden?

Ich höre schon die Einwände von vielen Indienreisenden, die sich rechtfertigen und ihre Bilder beschönigen wollen.

„Das ist ja ein Witz! Die Inder selbst halten diese Regeln nicht ein, und wir sollen uns Gedanken über ethisch korrekte Fotos machen?“

Ja, ich finde es wichtig!

18 Antworten

  1. Liebe Irene,

    Das ist viel Inhalt. Und anfangs wollte ich gar nicht kommentieren. Denn dein Beitrag ist nichts, was man so einfach in eins, zwei Sätzen abgehandelt hat. Er sitzt, und man muss ihn sacken lassen. Sicher wird mir im Nachhinein noch was dazu einfallen. Vorerst nur dieses:

    Das Fotografieren selbst macht mir, seit es die digitalen Speicher- und Vervielfältigungsmöglichkeiten gibt, vermehrt Spaß. Natürlich macht(e) man sich Gedanken beim Auslösen des Bildes, was man da vor sich hat, über die Bildkomposition usw. Aber vieles erkennt man erst, nachdem das Bild im Kasten ist. Deshalb mache ich gerne gleich mehrere Aufnahmen von einem Motiv. Oft ist eines dabei, das einen gewissen „Zauber“ hat. Doch das sehe ich beim Auslösen (noch) nicht.

    Und all die Menschen im Selfie-Wahn? Das kannst du doch anders machen. Du machst den Unterschied. Es gibt noch immer viele sehr gute, ernstzunehmende Fotografen. Es gibt noch immer Menschen, die nicht überall ihr eigenes Gesicht ins Bild hängen.

    Menschen fotografieren: da bin ich im Laufe der Zeit sehr viel zurückhaltender geworden. Obwohl ich sagen muss, dass ich mir gut gemachte Porträtaufnahmen aus aller Herren Länder gerne anschaue. Das hat nichts mit Voyeurismus zu tun. Es sind die Gesichter und das, was sie ausdrücken.

    Wenn ich unterwegs bin, bin ich manchmal überrascht, wie forsch Mitreisende auf den Auslöser drücken. Der Mensch wird dann zum Souvenir, welches man zufrieden mit nach Hause nimmt. Am besten, er erzählt einem noch seine ganze Geschichte – und da wird auch ohne Rücksicht hartnäckig nachgefragt. So wie es einmal auch eine Reisende in Namibia tat. Die deutsche Oma fragte und fragte, und dem namibischen Mädel war das sichtlich unangenehm…

    Ja, auch ich habe Aufnahmen von Menschen in den Tiefen meiner Bildersammlungen. Ich bin da echt zwiegespalten. Ich weiß, dass man das nicht sollte. Meist sind die Menschen als „Beifang“ mit auf dem Bild. Wenn ich eine direkte Aufnahme machen möchte, dann frage ich. Wenn es jemand nicht will (was schon vorkam), dann ist es so und sollte akzeptiert werden.

    Schon lustig, wie die Inder den Spieß umgedreht haben. Mir begegnete mal eine indische Großfamilie auf meiner Wanderung in Nepal. Die große, blonde, verschwitzte Frau war ungeheuer spannend. Aaaber: sie haben gefragt. Keiner hat heimlich fotografiert. Und dann posierte ich abwechselnd mit verschiedenen Familienmitgliedern, der Mutti, der Schwester, der Großtante… und soll ich dir was sagen? Ja, ich weiß jetzt, wie sich Menschen in Urlaubsländern fühlen müssen. Nun war ich das Souvenir, welches mit nach Hause genommen und in irgendwelchen digitalen Fotoalben verweilen wird. Das war ein sehr seltsames Gefühl, so viel (unverdiente) Aufmerksamkeit zu bekommen, nur weil man gerade mal ein Aussehen hat, welches auf andere „exotisch“ wirkt.

    Ein langer Kommentar ist es jetzt geworden, und im Grunde komme ich (noch) nicht zu einem einheitlichen Fazit. Ich mag deinen Beitrag, auch wenn so mancher Reisende ihn vermutlich nicht gerne lesen wird. Ich denke, man kann sich heimliche Bilder sparen, es gibt auch Menschen, die fotografiert werden wollen. So wie diese alte Frau in Nepal damals. Sie war Köchin und ich fragte, ob ich denn ihre leckeren Pfannkuchen beim Brutzeln ablichten dürfe. Durfte ich. Beim Betrachten des Bildes beschwerte sie sich, warum sie selbst nicht darauf zu sehen ist. Also noch eine Aufnahme; die Köchin richtete sich ganz stolz auf. Als ich ihr das zweite Bild zeigte, nickte sie zufrieden.

    Liebe Grüße
    Kasia

    1. Vielen lieben Dank für deine Nachricht. Ja, mit dem Wort Souvenir hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Es ist nicht so, dass ich gar nicht mehr fotografiere. Als ich vor zwei Jahren meinen Blog angefangen habe, habe ich vermehrt wieder Aufnahmen gemacht. Es ist mir bewusst, dass viele Reisende an diesem Beitrag keine Freude haben werden. Denn jeder wird sich wohl selbst in irgendeiner Form darin wieder erkennen. Da nehme ich mich auch nicht raus. Aber ich denke, dass es in der heutigen Zeit wirklich angemessen ist, sich darüber Gedanken zu machen. Liebe Grüße Irène

      1. Liebe Irene,

        da hast du vollkommen Recht. Wir wollen alle so respektvoll und rücksichtsvoll sein, und zugleich ist da diese kleine Stimme, die flüstert: nu mach schon, du kommst vielleicht nie wieder… Schlussendlich sind wir alle „Jäger“, doch wir wollen die „in fremde Kulturen eintauchende“, tiefgründige Traveller sein, so anders als der vulgäre Tourist. Das hat schon was komisches.

        Ich finde deinen Beitrag sehr gut. Obwohl „gut“ der Tiefgründigkeit nicht gerecht wird. Was du schreibst, berührt, und ich denke, deshalb weiß man im ersten Moment auch nicht, was man sagen soll… Also, bei mir haben deine Worte etwas bewegt. Sie werden, da bin ich ganz sicher, noch weiter in meinem Kopf „arbeiten“, noch weiter nachwirken.

        Ich wünsche dir noch alles Gute!

        Liebe Grüße
        Kasia

  2. Liebe Irène. Dein Text enthält viele diskussionswürdige Thesen. Es ist ein wichtiges Thema. Ich selbst fotografiere nicht sonderlich gut, aber leidenschaftlich. Und ich begreife die digitale Technik als eine Revolution, die das menschliche Zusammenleben grundsätzlich verändert. Hier gehören das Recht am eigenen Bild und urheberrechtliche Fragen auf den Prüfstein. Und vielleicht müssen wir radikal alte Zöpfe abschneiden und die Dinge völlig neu denken. Herzliche Grüsse aus der Schweiz Thomas

  3. Liebe Irene! Danke für deinen Artikel, von dem ich jedes Wort unterschreiben möchte. Ich habe noch nie wirklich gerne Menschen fotografiert. Immer habe ich versucht zu fragen, oder aber auch mal heimlich fotografiert. Das war allerdings noch, als es noch kein Internet gab und die Fotos im Privaten Bereich blieben. Auch jetzt scheue ich davor zurück, Fotos von Einheimischen auf meiner Internetseite der Welt vorzustellen. Es gibt allerdings eine Ausnahme: China! Die Leute in China sind völlig fotoverrückt und posten alles auf ihren Socialmedia-Kanälen. Da fotografiere ich gerne und da kann ich imgrunde von ausgehen, dass das Posten ok ist. Ein kurzer Blick, ein leichtes Kopfnicken genügt. Natürlich verzichte ich auf Bilder von spuckenden Menschen. Auch in Tempeln halte ich mich zurück. Aber zur Dokumentation sind manche Fotos nötig. In China ist es auch so, dass man als Europäer schnell im Mittelpunkt steht. Schon seit meiner ersten Reise nach China 1987 habe ich mich daran gewöhnt, dass man mich unbedingt fotografieren wollte. Naja, gibt Schlimmeres.
    Liebe Grüße
    Ulrike

    1. Liebe Ulrike,
      Vielen lieben Dank für deine Nachricht. Die Inder und Chinesen scheinen da was gemein zu haben. Die Inder sind auch verrückt nach Bildern von Touristen. Ich mag dies gar nicht, aber auf der anderen Seite finde ich diese Entwicklung auch sehr amüsant und spannend.
      Liebe Grüße aus Chennai Irène

  4. Hi Irene,
    was für ein toller nachdenklicher Beitrag! Ich bin auch immer hin und hergerissen, wenn ich interessante Motive mit Menschen entdecke. Einerseits zuckt es im Finger, andererseits habe ich Skrupel. Wir sind in Hanoi auch schon mal als Glücksbringer von zwanzig Schülern um ein Foto gebeten worden. Anfangs war das lustig, irgendwann nicht mehr.
    Ich denke, man muss einfach ein bisschen rücksichtsvoll sein und im Zweifel fragen.
    Viele Grüße
    Marco

    1. Lieber Marco,
      danke für deine Zeilen. Ich denke, es gibt keine ultimative Regel, und es kommt sicherlich auch darauf an, wie man gedenkt die Bilder zu verwenden. Letztlich muss dies auch jeder, der fotografiert für sich selbst entscheiden. Aber mit etwas Rücksicht wäre viel gewonnen.
      Liebe Grüße aus Chennai Irène

  5. Wichtiger Impuls darüber mal nachzudenken, danke. Ich bin vermutlich auf zig Indischen Selfies zu sehen, weil ich nicht konsequent nein gesagt habe, aber das heißt im Umkehrschluss nicht, dass man als Gast ungefragt draufhalten muss. Speziell bei Religion, Armut und Kindern sollten wir uns fragen, ob das nun unbedingt sein muss und was wir mit den Bildern dann nach der Rückkehr eigentlich bezwecken.

    1. Danke für deine Nachricht. Ja, da hast du recht. Meine Mutter hat jahrelang die Kalender „Kinder dieser Welt“ von Dölf Reist gekauft. Damals hat sich niemand Gedanken darüber gemacht, dass die meisten Kinder aus armen Verhältnissen stammten und vom Erlös sicherlich nichts oder nicht viel gesehen haben. Unbestritten sehr schöne, künstlerische Porträt-Aufnahmen. Aber ethisch korrekt? Ich bin froh, dass langsam ein Umdenken stattfindet. Liebe Grüße Irène

  6. Liebe Irene, als Fotograf und Reisender kann ich Deinen Beitrag nur unterschreiben. Wie oft habe ich mich schon für ausländische Touristen geschämt, wenn sie beispielsweise in Shorts auf einer Hochzeit aufgeschlagen sind, hemmungslos und ohne Abstand die Zeremonie fotografiert haben. Aber auch das heimliche Filmen, beliebt bei indischen Männer, die vor allem Touristinnen filmen, kenne ich gut.
    Beim Lesen Deines Beitrags ist mir ein kurzer Ratgeber eingefallen, den ich mal vor vielen Jahren für ein Fotomagazin verfasst hatte. Den habe ich gesucht, wiedergefunden und festgestellt, dass ich den fast genauso nochmal schreiben würde. Ich hänge ihn mal an:

    Reisefotografie in Indien – Tipps für noch bessere Fotos

    Indien macht es uns Reisenden einfach, den Daheimgebliebenen beeindruckende Fotos zu präsentieren. Sehenswürdigkeiten jeglicher Art und kaum ein Tag ohne farbenfrohe Feste und Märkte laden ein, die Kamera auf Schritt und Tritt dabei zu haben. Und dazu eine einzigartige Bereitwilligkeit der indischen Bevölkerung vor die Kamera zu treten. Was eure Reisefotografie noch besser machen kann, habe ich in vier Punkten zusammengefasst:

    Kennt eure Kamera – Wenn ich mich in Indien auf den Weg mache um zu fotografieren, sind natürlich die Akkus voll und (Ersatz-)Speicherkarten griffbereit. Darüber hinaus habe ich Blende, Belichtung und ISO für wahrscheinliche Szenarien voreingestellt. Oftmals war ich vorher schonmal ohne Kamera vor Ort, um mir anzuschauen, was fotografisch interessant wäre. Das heißt, ich mach mir vorher Gedanken, was und wo ich möglicherweise fotografieren werde und wie die Lichtverhältnisse sein werden. Die Kamera trage ich mittels einem Sun-Sniper Kameragurt an der Hüfte. Das hat die Vorteile, dass sie nicht gleich gesehen wird und ich habe sie blitzschnell auslösebereit. Jeder der schon mal in Indien unterwegs war, weiß wie schnell ein interessantes Motiv auftauchen kann. Habt ihr die Kamera vorbereitet und seid dann noch in der Lage, bei Bedarf Einstellungen schnell zu verändern, wird eure Ausbeute noch besser.

    Nehmt euch Zeit – Das ist der wichtigste Tipp, den ich geben kann. Niemand möchte »abgeschossen« werden. Das hinterlässt selbst bei den Fotobegeisterten Indern ein unangenehmes Gefühl. Lasst euch auf die Situation ein. Setzt euch hin und beobachtet, lasst die Kamera erstmal unten und kommt an. Ihr glaubt gar nicht, von wie vielen Menschen ihr beobachtet werdet, ohne dass ihr es merkt. Ob in der Geschäftsstraße, dem Park mit den Sehenswürdigkeiten, dem Markt oder sonst wo, wir fallen auf. Mir ist es schon oft passiert, dass mich jemand angesprochen hat und fragte, ob ich ihn nicht auch mal fotografieren wolle. Er hätte gesehen, dass ich schon seit einiger Zeit hier wäre und Bilder machen würde. Meist ist es auch so, dass die Menschen mit der Zeit das Interesse am Ausländer verlieren. Wo ich beispielsweise auf einem Markt anfangs noch unter genauer Beobachtung stand, schaut nach einiger Zeit niemand mehr nach mir, weil es schlichtweg langweilig ist.

    Kommuniziert – Das Mindeste, was man vor dem Auslösen tun sollte, ist freundlich auf die Kamera zu zeigen und um Erlaubnis fragen. Viel besser ist es, Interesse an eurem Motiv zu zeigen. Lasst doch erstmal die Kamera unten, haltet ein Schwätzchen, fragt was hier gemacht oder verkauft wird, erzählt von euch. Zeigt den Menschen, dass ihr euch für sie interessiert, dann kommt die Einladung zum Fotografieren oftmals von ganz alleine. Ob das die Audienz bei einem Sadhu war, die Einladung zu einer Hochzeit, das Fotografieren von Sportveranstaltungen oder die Führung durch eine Fabrik, die Gewehre herstellt, all das kam nicht wegen meiner Kamera zustande, sondern weil ich mich absichtslos interessiert hatte. Sind dann die ersten Bilder gemacht, zeigt diese auf eurem Display. Wenn es dabei noch etwas zu Lachen gibt, ist das Eis endgültig gebrochen.

    Kommt wieder – Ja, ich weiß, das ist nicht einfach aber wer es einmal ausprobiert hat, wird es lieben. Viele Orte in Indien habe ich im Rahmen meiner Indienreisen schon mehrmals besucht. Wenn ich beispielsweise wieder nach Kolkata komme, werde ich auf jeden Fall einige Bilder, die ich beim letzten Mal dort gemacht hatte, großformatig ausdrucken und mitnehmen. Ihr könnt euch vorstellen, was das eine Freude ist, wenn ich wieder auf dem Blumenmarkt oder der Chicken-Street vorbeikomme und die Bilder verteile. Ich habe auch schon Umwege in Kauf genommen; beispielsweise um ein Fotobuch von einer Hochzeit, die ich fotografieren durfte, zu überreichen. Auf einen Schlag stand die halbe Hochzeitsgesellschaft im Hof und diskutierte den »westlichen« Stil der Hochzeitsfotografie. Es wurden Tee und Snacks gereicht, Vergleichsbilder und Alben gebracht und am Ende sollte ich wiederkommen und zwar mit Kamera, um neue Erinnerungsfotos zu schießen. Ich mag das Wiederkommen auch deshalb, weil ich damit ein bisschen zurück geben kann :-).

    1. Lieber Jürgen
      Dein Feedback als Profi vom Fach freut mich natürlich sehr.
      Ich habe deinen Artikel gelesen. Vielen Dank dafür. So toll, dass du manchmal die Bilder überbringst und damit sicherlich große Freude bereitest.
      Liebe Grüße aus Chennai Irène

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