Verkehrsunfälle in Indien

Strassensicherheit

Es wurde spät gestern Nacht und eigentlich planten wir heute, etwas länger zu schlafen. Doch bereits vor sieben Uhr weckt mich Prabhu. Er ist angezogen und bereit zum Gehen. „Ganeshs Schwiegervater ist mit dem Motorrad tödlich verunglückt, ich muss los“, informiert er mich. Noch schlaftrunken dringt die Nachricht langsam zu mir durch. Erst Anfang des Monats ist ein Freund meines Mannes schwer verunfallt. Er ist immer noch im Spital. Mit schweren Kopfverletzungen, einem zertrümmerten Kiefer (er fuhr ohne Helm) und einem schlimmen Beinbruch lag er lange auf der Intensivstation und sein Leben hing an einem seidenen Faden.

Seit wir hier in Chennai leben, werden wir immer wieder mit schrecklichen Verkehrsunfällen konfrontiert. Vor zwei Jahren wurde der Vater von Prabhus bestem Freund, der zu Fuß unterwegs war, von einem Auto angefahren und verstarb noch auf der Unfallstelle. Es gibt so viele traurige Geschichten, die ich hier erzählen könnte.

Sehr erschüttert hatte uns damals (2012) die Nachricht über den Tod eines sympathischen jungen Mannes, der in der engeren Auswahl stand, meine Nichte zu heiraten. Er verunglückte schwer mit dem Motorrad. Wenn in Indien etwas passiert, sind zwar schnell viele Gaffer zu Stelle, aber couragierte Menschen zu finden, die wirklich helfen, sind leider rar. Alle befürchten, dass sie unter Umständen für die Spitalkosten aufkommen müssen und halten sich daher lieber zurück. In diesem Fall gab es jedoch einen solchen Helden. Ein mutiger Rikshafahrer brachte den Schwerverletzten ins nächste Spital. Dort wollte man jedoch ohne Vorauszahlung nichts unternehmen. Verzweifelt versuchte der Fahrer alles, was möglich war. Er bot dem Krankenhaus sogar seine eigene goldene Kette als Anzahlung an, was jedoch nicht akzeptiert wurde. Noch während des Kampfes um die Kostenübernahme, verstarb der Mann, das einzige Kind seiner Eltern, im Spital.

Wie viele Stoßgebete ich bereits himmelwärts geschickt habe, als wir selbst unterwegs waren, kann ich gar nicht sagen. Unzählige Male haben wir gefährlichste Überholmanöver miterlebt und sind an schlimmen Verkehrsunfällen vorbeigefahren. In den Städten kann man, durch die hohe Verkehrsdichte bedingt, nur langsam fahren und im Auto ist man sicher. Für Fußgänger und Motorräder sieht die Situation wieder anders aus. Es gibt beispielsweise kaum Zebrastreifen und auch Bürgersteige sind selten.

Die Sicherheit im Auto ändert sich jedoch abrupt, wenn man die Städte verlässt und auf die Highways gelangt. Viele können schnelle Geschwindigkeiten nicht einschätzen, halten viel zu geringe Abstände und es kommt immer wieder zu haarsträubenden Überholmanövern. In der Nacht fahren die meisten mit Scheinwerfer, ob ein Fahrzeug entgegenkommt, ist egal. Dazu kommt das große Problem, dass viele Fahrer angetrunken unterwegs sind. Aus diesem Grund versuchen wir Fahrten in der Dunkelheit zu vermeiden.

Statistisch gesehen sind Verkehrsunfälle in Indien die häufigste Todesursache. 2015 gab es 261‘367 Verkehrstote (16.6 Anzahl Verkehrstote je 100‘000 Einwohner) und 500‘279 Verletzte. 62 Prozent der Unfälle waren auf überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit zurückzuführen. Nach China mit  einer Rate von 18.8 Verkehrstoten je 100‘000 Einwohnern steht Indien auf Platz zwei der Weltrangliste.

Zum Vergleich:

  • Deutschland: 4.3 Verkehrstote je 100‘000 Einwohnern
  • Schweiz: 3,3 Verkehrstote je 100‘000 Einwohnern

Mit dem Unfallrisiko-Rechner von Maki Car kann man das Unfallrisiko verschiedener Länder auf Grundlage der Anzahl Fahrzeuge vergleichen.

  • In Indien gibt es 19.13-mal mehr tödliche Verkehrsunfälle als in Deutschland.
  • In Indien gibt es 27.68-mal mehr tödliche Verkehrsunfälle als in der Schweiz.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Sicherheit auf indischen Straßen durch bessere Infrastruktur, Prävention, Bildungsmaßnahmen und durch vermehrtes Durchgreifen der Polizei verbessert.

 

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