Von Großmüttern und Großvätern und der Tatsache, dass wir alle miteinander verwandt sind

Gestern bin ich Großmutter geworden! Die Nachricht, dass ich nun eine Paati (Großmutter) bin, hat mich doch etwas überrumpelt. Während ich die kleine neugeborene Tochter unserer Nichte auf den Armen hielt und wieder einmal mehr über das Wunder der Natur staunte, meinte Prabhu plötzlich: „Jetzt sind wir Paati und Thaatha (Großvater)!“

So schnell kann es in Indien gehen! Wenigstens sorgte diese Tatsache im Raum für Heiterkeit. Auch die frischgebackene und überglückliche Mutter, die nach langen Jahren des Wartens und Bangens, endlich ein Kindlein bekommen durfte, lachte fröhlich. Ich bin so happy für die kleine Familie.

Akka (ältere Schwester) und Maama (mein Schwager, den ich Onkel nenne), die „richtigen“ Großeltern mütterlicherseits, saßen auch im Raum.

Seit ich in Indien lebe, wurde mein westliches, einfaches Familienkonzept arg durchgeschüttelt. Hier gibt es eine Hülle und Fülle von Verwandtschaftsbeziehungen und entsprechenden Begriffen, die bei uns gar nicht existieren. So wird beispielsweise zwischen älteren und jüngeren Geschwistern unterscheidet.

Akka (ältere Schwester)

Thangai (jüngere Schwester)

Anna (älterer Bruder)

Thambi (jüngerer Bruder)

Die Begriffe sind zwar sehr genau, aber die Anwendung ist global zu verstehen. Cousinen und Freunde werden auch als Brüder und Schwestern angesprochen. So ist Prabhu zwar Thambi für seine leiblichen Geschwister, aber seine jüngeren Freunde nennen ihn Anna und mich Anni (die Frau von Anna). Für Suriyan ist das alles noch etwas komplizierter, da er wieder andere Begriffe verwenden muss. So ist die ältere Schwester vom Vater Athai und der ältere Bruder des Vaters Periyappa. Seine Cousinen, die er bisher Akka nannte, sind jetzt, da sie verheiratet sind, auch Athai.

Dass alle Menschen dieser Welt miteinander verwandt sind, wird einem spätestens in Indien bewusst.

Da es unhöflich ist, ältere Personen mit Namen anzusprechen, sind einfach alles Brüder, Schwestern, Onkel, Tanten oder Großväter und Großmütter.

So wird der alte, unbekannte Mann auf der Straße zum Thaatha und Kinder sprechen alle Erwachsenen respektvoll mit Aunty oder Uncle an.

Das neue Erdenkind hat übrigens noch keinen Namen. Nach Angaben des Geburtstags und der Geburtszeit wird von einem Astrologen ausgerechnet, mit welchen Silben der Name des Kindes beginnen sollte. Ich erinnere mich noch an gut daran, wie sie uns damals in der Schweiz gedrängt haben, endlich einen Namen zu wählen. Suriyans Zweitnamen haben wir auch astrologisch berechnen lassen und konnten uns nicht sofort entscheiden. Hier in Indien gibt man den Eltern Zeit. Innerhalb eines Monates muss das Kind registriert werden. Oft wählen die Schwiegereltern den Namen aus.

Ich bin schon gespannt, wie das Mädchen heißen wird!

9 Antworten

  1. Na dann herzliche Glückwünsche zum ersten Enkelkind 😉
    Meine jüngste war auch zwei Wochen „namenlos“
    (wegen Einigungsschwierigkeiten bezüglich des 2. Vornamens) zumindest was die Aktenlage betraf, das hat den zuständigigen Standesbeamten damals auch „etwas“ nervös werden lassen :-))

    Ich erinnere mich auch noch daran, dass männliche Erwachsene alle „der Onkel“ bzw. weibliche „die Tante“ waren. Sooo lange ist das hier auch noch nicht her…

  2. In Europa hat man ja auch bis vor gar nicht so lange alle Menschen der Elterngeneration als Onkel und Tante bezeichnet. ZB die „Kindergartentante“ klingt doch viel besser als die Kindergartenpädagogen 🙂

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