Nach Indien reisen mit Kind?

Nach Indien mit Kind?
Krishnas Butterball, Mamallapuram

Da unser Alltag oft mit wiederholender Routine erfüllt ist, sehnen sich viele im Urlaub oder auf Reisen nach Abwechslung und träumen vielleicht sogar von aufregenden Abenteuern in fremden Kulturen und Ländern. Reisen ist für viele selbstverständlich geworden und schier jedes Reiseziel ist heutzutage möglich und durch billige Flüge bezahlbar.

Auch das Reisen mit Kindern hat sich verändert. Während man zu meiner Zeit noch Ferien auf Balkonien oder höchstens Campingurlaub in den Nachbarländern machte, so gehören Flugreisen für viele Familien zum Urlaub dazu. Die Möglichkeiten sind riesig und alles scheint machbar.

Macht es Sinn, mit Kind oder Kindern nach Indien zu reisen?

Ich habe große Indienerfahrung. Seit über 10 Jahren lebe ich mit meiner Familie in Indien und unser Sohn hat die Mehrheit seiner Kindheit in Indien verbracht. Auf vielen Reisen haben wir dieses riesige, vielfältige Land auch entdeckt und kennengelernt.

Indien ist schon ohne Kinder ein schwieriges Reiseland, das viele Touristen an ihre persönlichen Grenzen bringt. Armut, Müll, Umweltverschmutzung und Krankheiten gehören zu Incredible India dazu. Viele Reisende erleben erst mal einen Kulturschock. Man braucht Zeit, um sich an das indische Chaos zu gewöhnen. Je kleiner die Kinder und je neuer das Land für die Eltern, desto mehr muss ich von Reisen nach Indien abraten. Wenn man nicht aus familiären oder beruflichen Gründen mit kleinen Kindern nach Indien reisen muss, würde ich die Reise definitiv ein paar Jahre aufschieben.

Ab dem siebten Lebensjahr kann man die Kinder besser auf eine Indienreise vorbereiten. Ab diesem Alter können sie Gefahren besser einschätzen und verstehen. Auch bekommen sie etwas vom Land und der Kultur mit, das ihnen sicherlich in Erinnerung bleiben wird.

Vor allem Kleinkindern kann man auf Reisen durch Indien schlecht gerecht werden. Ständig muss man aufpassen, dass sie nichts in den Mund stecken, dass sie nicht davon laufen, dass sie kein Tier anfassen. Das Kind oder mehrere Kinder ständig im Auge zu behalten, ist für die Eltern anstrengend. In Indien wird ihr Kind wohl dauernd hören: „Lass das! Nimm das nicht in den Mund! Nein! Das darfst du nicht! Gib mir die Hand!“

Die Kinder sind sich gewöhnt, dass sie gewisse Bewegungsfreiheiten haben. Diese werden in Indien doch arg beschnitten. Obwohl es hier so viele Kinder gibt, ist das Land alles andere als kinderfreundlich. Es gibt kaum Spielplätze oder Parks und von sauberen Toiletten und Wickeltischen kann man nur träumen.

Das andere Essen

Das Essen in Indien ist oft scharf, ungewohnt und schmeckt den Kleinen in der Regel nicht. Natürlich kann man sich im Supermarkt mit Bananen, Zwieback, Biskuits, … eindecken und im Restaurant milde Gerichte bestellen, aber die Umstellung ist für die Kleinen ziemlich schwierig. Grade bei Kleinkindern, die ihr Immunsystem noch nicht vollständig entwickelt haben, ist ständig Vorsicht angebracht. Die hygienischen Bedingungen in Garküchen und Restaurants lassen oft zu wünschen übrig und durch längere Stromausfälle werden die Kühlketten immer wieder unterbrochen. Auf frischgepresste Fruchtsäfte, Eiswürfel, Eiscreme, Milchspeisen, bereits geschnittene Früchte sollte man verzichten.

Impfen und Krankheiten

Dazu kommt, dass man sich schon im Vorfeld Gedanken über das Impfen machen muss. Ich weiß, dass Impffragen für viele Eltern ein sensibles Thema sind, und dass viele sehr impfkritisch eingestellt sind. Doch hier kann ich einfach nur zu bedenken geben, dass es einen großen Unterschied macht, ob man sich in Deutschland oder der Schweiz gegen Impfungen entscheidet, oder ob man in Indien ist. Erstens ist ein Kind in der Regel durch den flächendeckenden Impfschutz im Heimatland recht gut geschützt. Zweitens steht rund um die Uhr eine hervorragende medizinische Versorgung zur Verfügung, wenn eben doch etwas passieren sollte.

Mit Kindern ohne Impfschutz in tropische Länder zu reisen, ist meiner Meinung nach verantwortungslos. In Indien gibt es in den Metropolen gute Spitäler, die man mit „westlichen“ Standards vergleichen kann, aber außerhalb der Großstädte nimmt die Qualität der medizinischen Versorgung rapide ab. Erkrankt ein Kind, dann muss man oft schnell handeln und innerhalb kurzer Zeit einen Arzt aufsuchen. Ich habe dies einmal mit unserem Sohn erlebt, als er zwei Jahre alt war. Trotz großer Vorsicht erkrankte er nach einem Restaurantbesuch.

Erbrechen, Durchfall und Fieber haben ihn innerhalb nur weniger Stunden dehydriert, sodass ich umgehend mit ihm zum Arzt musste. Man weiß, dass Kleinkinder schnell dehydrieren, aber diese Geschwindigkeit hätte ich nie erwartet.

Auch die lange Flugreise, die Zeitumstellung und das andere Klima sind für Kleinkinder oft schwierig.

Leider gibt es in Indien auch gefährliche Krankheiten, die man noch nicht impfen kann. Malaria, Dengue-Fieber und Chikungunya werden von Moskitos übertragen. Mein Sohn und ich sind 2014 an Dengue erkrankt und lagen fast eine Woche im Spital.

Ein Kleinkind ständig mit deethaltigen Moskitosprays einzusprühen, ist für die empfindliche Kinderhaut auch nicht das Wahre.

Auch Tollwut ist in Indien leider immer noch nicht ausgerottet. Viele Kinder sind von Strassenhunden und Affen fasziniert und es zieht sie oft, wie magisch angezogen, in ihre Nähe.

Kinderliebende und wangenkneifende Inder

Was in Indien wirklich wunderschön ist, ist die Tatsache, dass man mit Kindern immer und überall willkommen ist. Die Inderinnen und Inder lieben Kinder über alles und sind diesbezüglich sehr tolerant und hilfsbereit. Allerhand Sonderwünsche werden für Kinder sehr gerne erfüllt.

Auf der anderen Seite empfinden „Westler“ Inderinnen und Inder oft distanzlos und übergreifend. Sehr gerne werden auch fremde Kleinkinder liebevoll in die Wange gekniffen. Hier in Indien ein Zeichen, dass man dieses Kind besonders mag und süß findet.

Doch ein hellhäutiges, eventuell sogar blondes und blauäugiges Kleinkind wird in Indien halt oft in die Wange gekniffen. Gerne werden Kinder auch auf den Arm genommen oder einfach berührt. Heutzutage kommt auch noch der Selfiekult dazu, den ich absolut schrecklich finde. So werden viele euer Kind fotografieren wollen, teilweise auch ungefragt. Viele ausländische Kleinkinder sind sich dies nicht gewöhnt, und es wird ihnen oft zu viel. Eltern sind da sehr gefragt und müssen in einem Balanceakt solche Situationen schnell erfassen und reagieren. Einerseits möchte man die netten Inderinnen und Inder nicht vor den Kopf stoßen, andererseits muss man sein Kind schützen und für Abgrenzung sorgen.

Ich beispielsweise hätte gar keine Freude daran gehabt, mein Kind von fremden Personen ablichten zu lassen. Aus diesem Grund würde ich Kleinkinder auch nicht nackt baden oder spielen lassen. Nicht weil dies gegen das Schamgefühl der Inder verstößt, sondern um das Kind vor Nacktaufnahmen zu schützen. Letztlich weiß man nämlich nie, was mit diesen Fotos passiert.

Tipps, wenn man mit einem Kleinkind in Indien unterwegs ist:

  • Einige Monate vor der Reise die Impffragen für sich selbst und das Kind klären und sich von einem Reisemediziner beraten lassen. Ich finde es für Erwachsene und Kinder sinnvoll, einige Wochen vor der Reise das Immunsystem zu stärken. Ich fand die Echinacea-Tropfen von Dr. Vogel immer hilfreich, aber es gibt eine Fülle an verschiedenen guten Präparaten.
  • Eine Reiseapotheke, die speziell auf die Bedürfnisse von Kleinkindern ausgerichtet ist, gibt Sicherheit. Am besten man lässt sich professionell in der Apotheke oder beim Kinderarzt beraten. Hat das Kind intensiven Kontakt mit einheimischen Kindern, sollte man auch auf Läuse achten. Wir wurden immer wieder mit Läusen beglückt.
  • Die Reise sorgfältig und möglichst kinderfreundlich planen. Weniger ist mehr! Auch sollte man versuchen, immer wieder kleine Ruheoasen einzuplanen. In Indien bleibt einem nichts anderes übrig als sich flexibel dem Kleinkind anzupassen. Wir haben beispielsweise eine dreiwöchige Reisetour abgebrochen, weil unser Sohn am fünften Tag erkrankte. Doch auch die Eltern müssen gut zu sich selbst schauen, denn von ihnen wird 100 Prozent Fitness und Aufmerksamkeit abverlangt werden.
  • Für den Flug sollte man den Babies einen Schnuller geben. Durch das Saugen können sie den Ohrendruck besser ausgleichen. Als unser Sohn etwas älter war, durfte er beim Starten und Landen jeweils einen kleinen Lollipop schlecken. Übrigens ein Tipp von meinem damaligen Kinderarzt. Das hat sich immer sehr bewährt. Unser Sohn konnte so den Druckausgleich gut meistern und war überglücklich mit seinem Lollipop, den es nur auf Flugreisen gab.
  • Bei den Reisezielen und bei der Hotelwahl die Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen. Oft ist die Hotelanlage der einzige Ort, wo man Kindern etwas mehr Freiraum geben kann. Etwas bessere Hotels mit Pool und Spielplatz lohnen sich auf jeden Fall.
  • Mit einem Kleinkind würde ich es mir leisten, mit einem eigenen Fahrer zu reisen. Das ist definitiv komfortabler, stressfreier und man ist immer flexibel. So kann man jeder Zeit anhalten, wenn das Kind mal muss oder man kann bequem im Auto die Windeln wechseln oder das Kind stillen. Das Auto ist auch Rückzugsort vor dem oft etwas hektischen, chaotischen und lauten Indien.
  • Beim Essen und Trinken enorme Vorsicht walten lassen. Ein Taschenmesser, Sparschäler und Tupperware-Behälter mitnehmen, sodass man Früchte und Gemüse selbst schneiden kann. Früchte und Gemüse sollte man immer schälen, da sie oft gespritzt und mit Chemikalien behandelt sind.
  • Immer genügend sauberes Trinkwasser und etwas zum Essen dabei haben. Dabei darauf achten, dass die Wasserflaschen beim Kauf versiegelt sind.
  • Hut, Sonnencreme und Moskitospray immer in der Handtasche haben und einsetzen. Dengue-Fieber und Chikungunya werden durch tagaktive Mücken übertragen.
  • Wenn das Kind hohes Fieber bekommt oder an Durchfall erkrankt nicht lange warten und einen Arzt aufsuchen. Kleinkinder dehydrieren enorm schnell.
  • Feuchttücher leisten oft gute Dienste. Vor dem Essen und auch sonst ab und zu die Hände waschen. Manche nehmen auch Desinfektionsmittel für die Hände mit. Ich mag dies weniger und wasche mir lieber öfters die Hände. Für das große Geschäft Toilettenpapier dabei haben.
  • Ein sauberes Tuch, das als Bettdecke, Schlafunterlage oder als Kopfkissen umfunktioniert werden kann, ist sehr hilfreich.
  • Lieblingsspielsachen mitnehmen. Unser Sohn zeigte praktischerweise immer Interesse am Zeichnen und Basteln. So hatte ich immer kleine Minifarbstifte, einen Block Papier und Klebstreifen in meiner Handtasche. Oft haben wir auch Papier gefaltet. Die entstandenen Papierschiffe, Portemonnaies, Frösche, Schmetterlinge und vieles mehr haben für Abwechslung gesorgt und wurden zu Spielmaterial.
  • Musik und Hörspiele für die Kleinen sind oft Gold wert.

4 Antworten

  1. Sehr interessanter Beitrag!!! Unsere Maus ist zwar schon 7, muss aber auch ständig alles anfassen. 🙂
    Indien wäre sicher eine Reise wert, aber das werde ich mir wohl in diesem Leben nicht mehr leisten können.
    Aber deshalb lese ich auch so gerne hier: ist wie Urlaub. 🙂
    LG
    Jacky

  2. Danke Irene, für diese ausführlichen Hinweise. Kann nur zustimmen. Wir waren mit den Kids (12+9) im frühjahr dort, haben alles „heil“ überstanden und hatten einen schönen Urlaub (mit Bildungsteil , Patenkind besucht).
    Mein Rat: 1. sich Regeln setzen und die bis zum Ende der Reise durchziehen.
    2. größere Kids kommen auch mal mit Reis, Naan und Ketchup aus 😉 …. sorry, ich weiß du kochst gern

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