Trinkwasser ist in Indien Luxus

Jahrelang hatte er uns gute Dienste geleistet. Doch nun hat der weiße Kasten seinen Geist aufgegeben. Prabhu telefoniert lange mit dem Kundendienst und entscheidet sich schließlich dazu, einen neuen Water Purifier (Wasserfilter) zu kaufen. Wieder von der Firma Kent, aber das neue Modell mit Digital-Display.

„Hat dich Hema im hellblauen Saree wieder überzeugt?“, spotte ich. Die tamilische Schauspielerin Hema Malini trinkt schon jahrelang genüsslich das Filterwasser von Kent und lächelt dabei glücklich und gesund in die Kamera. Die Sarees wechseln ab und zu, aber immer in Shades of Blue – hygienische, saubere, gesunde Blautöne.

Bis alles geliefert wird, dauert es zwei Tage. Suriyan oder ich tragen in der Zwischenzeit unser Trinkwasser vom Purifier meiner Schwiegereltern im Parterre zu unserer Wohnung im ersten Stock. Jetzt wird ersichtlich, wie viel Trinkwasser wir täglich konsumieren. Es sind rund 15-20 Liter, die wir zum Kochen und Trinken verbrauchen. Der Sohnemann motzt bereits, wenn ich ihn nach unten schicke, und auch ich finde es mühsam.

Wie schön war dies doch in der Schweiz! Den Wasserhahn aufdrehen und sauberes Trinkwasser sprudelt ohne Ende. Trinkwasser zum Duschen, zum Pflanzen gießen, zum Auto waschen- ja, sogar das kleine und große Geschäft wird mit Trinkwasser runtergespült. Was für ein Luxus und eine Verschwendung dies ist, sind sich wohl die wenigsten SchweizerInnen bewusst. Trinkwasserqualität ist in der Schweiz eine Selbstverständlichkeit.

Hier in Indien ist dies anders. Trinkwasser muss gekauft oder mit einem Wasserfilter aufbereitet werden. Auch das ist Luxus. Die vielen Menschen, die nicht gut betucht sind, holen sich das Wasser in großen Plasikkübeln bei Wasserstellen, die die Stadt zur Verfügung stellt, und schleppen diese in ihr Haus. In Chennai und den meisten Städten Indiens ist der Unterschied zwischen Wasser und Trinkwasser für die Gesundheit durchaus bedeutsam.

Als wir 2006 das erste Mal nach Indien auswanderten, musste dies auch unser Sohn lernen. Beim Planschen und Baden durfte er plötzlich kein Wasser mehr in den Mund nehmen und schlucken. Dies beschäftigte ihn so sehr, dass er mich mal mit einem ernsten Gesichtsausdruck fragte, ob denn in der Wassermelone Trinkwasser drin sei.

Inzwischen ist der neue Purifier übrigens eingetroffen und installiert worden. Natürlich mit Mundschutz und hoffentlich ohne Coronaviren. Neun Liter Wasser werden in einer halben Stunde gefiltert und zu Trinkwasser aufbereitet. Einmal sollte man es ganz durchlaufen lassen, ohne das Wasser zu trinken. Die Schweizerin im Hause befolgt diese Anweisung gleich dreimal. Sicher ist sicher!

Unser neuer Water Purifier mit Digital-Display ????

Auch hier bleibt einem nichts anderes übrig, als der Firma und der Technik zu vertrauen. Aber wenn sogar Hema Malini das Wasser trinkt, ist alles gut!

8 Antworten

  1. Wow, das ist ja mal ne Maschine. Das kann man sich hier in Europa gar nicht vorstellen.
    Zum einen die Mengen, die wir so verbrauchen.
    Wie selbstverständlich wir den Hahn aufdrehen.
    Wofür das Wasser dann letztlich genutzt wird.
    Und wie oft man im Alltag eigentlich unbewusst ein Schluck zu sich nimmt (Bade-Wanne, Zähne-Putzen, Duschen, etc)

    Ich erinnere mich an meine Zeit in Indien, da hat die Familie Wasser abgekocht und fürs Zähneputzen bereitgestellt

      1. Hallo liebe Irene,
        du hast mal wieder sehr mit deinem Bericht anschaulich gemacht, wie wertvoll Trinkwasser ist. In Hurghada ist die Situation vergleichbar; auch dort ist das Wasser aus der Leitung aus hygienischen Gründen nicht zum Trinken geeignet. Nach vielen hatte ich mich nach vielen Jahren der Wasserschlepperei in Form von 10 Liter Flaschen entschlossen, mir einen Water Purifier anzuschaffen, mit dem mir täglich 70 Liter Wasser gefiltertes Wasser zur Verfügung steht. In all den Jahren meines Aufenthaltes dort habe ich es mir angewöhnt, generell mit Trinkwasser sparsam umzugehen; auch in Europa werden wir eines Tages damit konfrontiert werden, dass es nicht mehr genügend von diesem kostbaren Gut geben wird und stattdessen das Wasser von grossen Konzernen „literweise“ werden kaufen müssen. Viele liebe Grüsse aus der Lüneburger Heide

  2. „Was für ein Luxus und eine Verschwendung dies ist, sind sich wohl die wenigsten SchweizerInnen bewusst.“ – schreibst du. So ist es auch hier in Österreich – und ich nehme mal an, in vielen europäischen Ländern.
    Als wir 1983 nach unserer dreimonatigen Backpacker-Reise durch Indien nach Österreich zurückkamen, war mein Blick auf so vieles, was bis dahin so selbstverständlich schien, ein anderer – und ist so geblieben.
    Und so manches mal, wenn ich am Morgen mit meiner Hündin durch unsere Einfamlienhaussiedlung mit den großen Gärten spaziere, macht es mich besorgt, traurig, zornig – je nachdem -, wenn ich sehe, dass die Rasensprenger laufen, ja dass sogar der Rasenstreifen auf der Straße mit dem kostbaren Trinkwasser gegossen wird.
    Erst kürzlich sagte ich zu meinem Sohn, ich überlege mir einen Kommentar zu dieser Wasserverschwendung, den ich den Gartenbesitzern sagen könnte, ohne dass sie gleich aggressiv werden. Bis jetzt ist mir noch nichts eingefallen ….

    1. Wenn man es nicht anders kennt, dann ist dies eben das Normale. Wobei es in den letzten Jahren auch in der Schweiz und vielen andern Orten zu Wasserknappheit gekommen ist. Wahrscheinlich müssen da alle längerfristig umdenken. Liebe Grüße aus Chennai Irène

  3. Interessant! Doch ganz so ignorant sind wir zumindest in Deutschland nicht. Schon seit vielen Jahren wird ein sparsamer Wasserverbrauch propagiert. Ich erinnere mich auch noch gut an ein Gespräch 1993 mit einer australischen Kommilitonin in Peking, die sich darüber aufregte, dass es gerade in Australien wegen einer Dürre verboten wurde, das Auto zu waschen und man dort empfahl, nicht mehr so oft zu duschen. Ich glaube, wir waren beide verblüfft, als ich von Wassrsparhähnen und entsprechenden Duschvorrichtungen in Deutschland erzählte. Sie staunte, weil sie sowas nicht kannte, und ich staunte, dass sowas in Australien gar nicht bekannt war. Von der unglaublichen Wasserverschwendung durch ewig tropfende Wassserhähne im Studentenwohnheim in Peking war ich entsetzt. Aber auch China hat mittlerweile dazugelernt.
    Alles Gute
    Ulrike

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