Im indischen Lockdown – 10. Juli 2020

Wie die Zeit vergeht! Erst lag der Juli in weiter Ferne und ich war voller Zuversicht, dass dieser Spuk bis dahin ein Ende finden würde. Weit gefehlt. In Indien steigen die Covid-19-Fälle weiter an. Heute Morgen ein neuer Höchstwert von 26‘506 Fällen und 475 Toten in den letzten 24 Stunden. Weltweit steht Indien mittlerweile mit 793‘802 Fällen an 3. Stelle, und bis jetzt sind 21‘604 an Covid-19 gestorben. Einige Experten erwarten den Peak erst im November.

Hier in Chennai sieht es leider auch nicht gut aus. Wir haben täglich immer noch hohe Fallzahlen und Tamil Nadu hat nach Maharashtra am meisten Covid-19-Fälle. Auch in Assam, Westbengalen und vielen andern Bundesstaaten steigen die Zahlen. Karnataka, galt im Kampf gegen Corona lange als Vorzeigebundesstaat, nun auch dort ein massiver Anstieg. Bangalore hat den Lockdown gerade wieder verschärft. Immer mehr spitzt sich auch der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal zu. Schockierend der Hilferuf per Video von Dr. Taha Mateen vom HBS Spital in Bangalore: „Ich habe Betten, ich habe Betten mit Sauerstoff- und Beatmungsgeräten, aber keine Ärzte!“ Viele Ärzte sind scheinbar nicht willig zu arbeiten und andere sind erkrankt. So schieben die wenigen, die übrig geblieben sind lange, zu lange Schichten und sind völlig überarbeitet.

Am Montag ist der strikte Lockdown in Chennai wieder etwas gelockert worden. Neben den Lebensmittelgeschäften durften nun auch andere Läden wieder öffnen. Auf den Straßen ist wieder Leben eingekehrt.

Die meisten sind mit Masken unterwegs, viele halten die Abstände jedoch nicht ein. „Mit der Maske bin ich geschützt und mir kann nichts passieren“, scheinen viele zu denken. Regelmäßig kommen nun Angestellte der Regierung unangemeldet bei uns zu Hause vorbei, um Fieber zu messen. Alle müssen zur Fieberkontrolle antraben und ich bin immer erleichtert, wenn wir alle fieberfrei sind.

Die Schule unseres Sohnes wird Mitte Juli das Schuljahr online beginnen. Wann wird wohl wieder normaler Unterricht stattfinden? Mein Sohn und ich haben eine Wette laufen. Optimistisch habe ich auf November getippt – mein Sohn eher realistisch auf Januar 2021!

Wenn ich dran denke, dass wir nun fast vier Monate zu Hause sitzen, wird mir ganz anders. Ein Drittel des Jahres! Und es scheint noch kein Ende in Sicht.

Die indische Regierung hat bezüglich Schule nun auch reagiert. Der CBSE-Lehrplan (Central Board of Secondary Education) wurde für die Klassen 9 bis 12 um 30 % reduziert. Dies wird die Schulen und Lehrkräfte vor ein Dilemma stellen. Die Konzepte sollten nämlich trotzdem gelehrt, aber im kommenden Jahr nicht geprüft werden. Unser Sohn geht in eine internationale Schule mit dem Cambridge-Lehrplan (IGCSE). Ob auch da Anpassungen und Reduktionen vorgesehen sind?

Ein grosses Thema ist momentan auch die geplante Ausschaffung aller ausländischen Studenten aus den USA. Viele indische Studenten würden so ihre Studentenvisa und somit ihre Aufenthaltsbewilligungen in den Staaten verlieren.

Der schreckliche Fall von Jayaraj und seinem Sohn Fenix, die im Juni von der Polizei zu Tode geprügelt wurden, hat in ganz Indien hohe Wellen geworfen. Die Behörden haben schnell reagiert. Inzwischen steht die Mordanklage und 10 Polizisten wurden festgenommen. Eine Polizistin, die in dieser Nacht Dienst hatte, hat unter grosser Angst schließlich ausgesagt, dass Jayaraj und Fenix die ganze Nacht mit Schlagstöcken misshandelt wurden. Das Personal der gesamten Polizeistation wurde ausgewechselt.

Etwas Positives zum Schluss? Na ja, es wird wieder Cricket gespielt, aber wie beim Fußball ohne Publikum. Mein Mann findet dies toll, ich weniger ????!

4 Antworten

  1. Danke dir dass du uns etwas über Indien mitteilst. Ich fahre seit 13 Jahren im Winter nach Benaulim in Goa. Es wäre für mich sehr schlimm wenn ich dieses Jahr nicht hin könnte. Aber noch schlimmer wäre es für unser Wirtsleute . Die Menschen sind so nett und freundlich Es tut weh wenn ich ihnen nicht helfen kann
    Liebe Grüsse Waltraut Lauterborn

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