Indien – ein Land voller Farben, Gerüche, Klänge, Chaos, Herzlichkeit und ehrlich gesagt, auch viele Dinge, die nerven. Hier schreibe ich über 10 Dinge, die in Indien nerven.
Ich lebe seit über 16 Jahren in Indien, und ja, ich habe mich an Vieles gewöhnt. An manches vielleicht zu sehr, an anderes jedoch nie. Versteht mich nicht falsch. Ich mag meine zweite Heimat und dieser Artikel soll kein Gejammer, kein Meckern auf hohem Niveau sein, sondern ein ehrlicher Blick auf die Schattenseiten meines Alltags –auf die kleinen und großen Dinge, die mich nerven.
1. Menschen – überall Menschen
Indien ist nun das bevölkerungsreichste Land der Welt. Und das ist überall spürbar. Man kann hingehen, wo man will – es gibt einfach immer Menschen – oft viele Menschen – für mich oft zu viele Menschen. Ich muss zugeben, dass mich dies seit der Corona-Epidemie noch mehr stört. Ich fühle mich schnell unwohl in großen Menschenmengen. Aus diesem Grund gehe ich auch gar nicht mehr gerne in Einkaufszentren.
Am Wochenende und an Feiertagen ist es am schlimmsten und so versuchen wir für Ausflüge oder Ferientage diese Tage bewusst zu vermeiden. Jetzt, da unser Sohn ausgeflogen ist und wir nicht mehr auf Schulferien angewiesen sind, ist dies tatsächlich eine Erleichterung. Sweet Home- Sweet Castle wird für mich immer wichtiger. Ein riesiger Vorteil ist auch, dass man in der heutigen Zeit gar nicht mehr rausgehen muss. Alle Produkte und Dienstleistungen kann man sich bequem über ein paar Klicks in entsprechenden Apps nach Hause bestellen.
2. Lärm – immer, ununterbrochen
In Indien gibt es keine Stille. Nie. Selbst nachts surrt die Klimaanlage oder der Ventilator dreht seine ewigen Runden. “White Noise” sagt man dazu und dieser weisse Lärm soll wohl ähnlich wie das Rauschen des Meeres, Babys beruhigen und zum Schlafen bringen und inzwischen auch mich!
Ich erinnere mich daran, wie das Surren mich anfangs gestört und genervt hat, aber jetzt kann ich tatsächlich ohne das beruhigende Surren nicht mehr einschlafen ;-).
Glücklicherweise bin ich nicht sehr lärmempfindlich, denn ansonsten wäre Indien definitiv nicht das richtige Land.
Früh morgens singt der Muezzin seine Gebete von der nahegelegenen Moschee, an Festtagen dröhnt laute Musik vom Tempel und jeder Straßenhändler hat inzwischen Mini-Lautsprecher, die das ganze Quartier mit “Tomaten, Kartoffeln, ….” in Dauerschleife beglücken. Immer wieder knallt, rattert, bellt oder hupt es irgendwo.
Auch die Tierwelt sorgt für eine interessante Geräuschkulisse. Die Krähen krächzen, die Palmhörnchen fiepen, die Geckos schnattern und jeden Morgen piept munter der kleine feenhafte Tailorbird vor meinem Küchenfenster. Wie ein so kleines Vögelchen so laut piepsen kann, ist wirklich erstaunlich.
Man gewöhnt sich tatsächlich etwas an das indische Geräusch-Chaos und lernt auszublenden.
Die Straßenhändler nerven manchmal, wenn ich mitten im Unterricht bin und mich die Schüler dann fragen, was bei mir los sei.
Problematisch finde Diwali oder andere Festtagen mit Feuerwerk. Die Inder lieben laute Böller und ich erschrecke jedes Mal, denn inmitten der Häuser klingt es so, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Baulärm vertrage ich auch schlecht, vor allem wenn er direkt von den Nachbarn nebenan kommt. Hier gibt es keine Mittagsruhe und auch am Wochenende wird munter mit dem Pressluftbohrer hantiert.
Wer also Ruhe sucht und in absoluter Stille meditieren möchte, der bleibt besser zu Hause oder sucht sich einen abgelegenen Ort im Himalaya-Gebirge.
3. Verkehr? – Willkommen im Chaos
Ich fahre in Indien nicht Auto und das mit gutem Grund. Der indische Straßenverkehr ist anstrengend, enorm nervenaufreibend und anstrengend. Es gibt zwar Regeln, aber in Indien sind diese dehnbar wie Kaugummi. Nervig ist auch die Hup-Kakophonie. In Indien wird ständig gehupt, ob Gefahr oder nicht, ob Hindernis oder freier Weg – die Hupe muss raus.
Auch das Überqueren der Straße ist eine Fähigkeit, die man sich hier aneignen muss, denn für Fußgänger wird nicht einfach so gebremst. So tastet man sich Schritt für Schritt vor, um über eine stark befahrene Straße zu kommen.
4. Bürokratie – Wo ein Wille ist, ist auch ein Formular
Wer glaubt, Deutschland oder die Schweiz sei bürokratisch, der war noch nie in Indien. Hier brauchst du für alles ein Formular – am besten dreifach. Unterschriften? Mindestens vier. Stempel? Selbstverständlich. Kopien? Passfotos? Wie viele wollen Sie? Ich habe gelernt: Nichts funktioniert beim ersten Mal. Oder beim zweiten. Manchmal nie.
Du stehst stundenlang Schlange, nur um zu hören, dass du im falschen Büro bist – obwohl dir fünf Leute das Gegenteil gesagt haben. Du brauchst eine Bescheinigung, aber dafür brauchst du erst eine andere Bescheinigung, die du nur bekommst, wenn du… ach, egal.
Doch Indien mausert sich langsam. Es wird immer technologischer und viele Dienste werden jetzt online angeboten. Doch obwohl die IT-Branche in Indien boomt- und es doch so viele Informatiker gibt, sind diese Regierungsseiten leider auch Geduldsspiele.
5. Müll, Müll, überall Müll
Indien ist wunderschön. Atemberaubende Natur, bunte Tempel, eindrucksvolle Landschaften – und mittendrin: Müll. Plastikflaschen in Flüssen, Essensreste und Plastiktüten auf der Straße, Müllsäcke vor Haustüren. Und ja, manchmal auch tote Tiere.
Mülleimer? Gibt es – inzwischen immer mehr, aber wirklich funktionieren tut es nicht, leider. In der Stadt, oder wenigstens in Chennai, ist es in den letzten Jahren besser geworden. Hier gibt es eine riesige Flotte von Elektro-Tuk Tuks, die versuchen, Chennai sauber zu halten.
Langsam entwickelt sich auch hier ein Umweltbewusstsein, aber es steckt noch in den Kinderschuhen. In kleinen Schritten geht’s voran. Bei einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen ist dies natürlich auch eine gigantische Herausforderung.
6. Feilschen – ich will doch nur einkaufen, nicht verhandeln
In kleinen Geschäften oder Souvenir-Shops steigen die Preise mit weißer Haut oft deutlich an.
Ich feilsche, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Aber auch das ist so viel einfacher geworden. Alles kann online gekauft werden und so kann man die Preise gut vergleichen.
Mit zahlreichen Apps kann man sich in digitalen Supermärkten alles bestellen und sich nach Hause liefern lassen! Und dies innerhalb von 10-20 Minuten ohne einen Schritt nach draußen zu setzen. Kein Feilschen, kein Verhandeln – einfach alles easy!
7. Stromausfälle – Überraschung, es wird dunkel!
Strom weg. Ja, das kommt immer noch vor. Aber auch hier hat sich Indien oder Chennai enorm verbessert. Die Stromausfälle sind bedeutend seltener geworden. An Maintenance-Days gibt es oft einige Stunden keinen Strom, doch diese werden inzwischen kommuniziert und so kann man sich wenigstens etwas darauf einstellen. Natürlich ist dies immer genau dann, wenn du es am wenigsten brauchen kannst.
8. Gerüche – von betörend bis betäubend
Indien riecht. Intensiv. Und das in alle Richtungen. Von würzigem Curry bis zu offener Kanalisation ist alles dabei – manchmal gleichzeitig. Ein Spaziergang kann zur Geruchsachterbahn werden: Räucherstäbchen, Kuhdung, Blüten, Müll, Abgas – alles mischt sich fröhlich.
Besonders in der Hitze, wenn alles… intensiver wird. Dann wünsch ich mir: einmal frische Alpenluft, bitte.
9. Indian Stretchable Time – Pünktlichkeit ist Ansichtssache
Zeit ist in Indien ein dehnbarer Begriff. Ein „Ich komme gleich“ kann alles bedeuten – von „Ich bin schon unterwegs“ bis „Vielleicht heute nicht mehr“. Termine sind eher Vorschläge, Uhrzeiten grobe Richtwerte. Mein inneres Schweizer Uhrwerk stößt da regelmäßig an seine Grenzen. Ich habe gelernt, zu warten – auf Menschen, auf Busse, auf Handwerker, die „morgen ganz sicher“ kommen.
Anfangs hat mich das zur Weißglut gebracht. Heute? Ich kalkuliere einfach großzügig. Wobei sich in den letzten Jahren auch hier viel getan hat. Handwerker lassen sich zuverlässig über Apps buchen und tauchen meist pünktlich zur verabredeten Zeit ein.
10. Pinkeln und spucken
Auf der Gassirunde mit meinen Hunden gehe ich immer an den Containern vorbei, wo ich auch meinen Müll entsorge. Doch der Müllplatz ist nicht nur für allerlei Haushaltsmüll- er ist leider auch zur öffentlichen Toilette für indische Herren mutiert. Jedes Mal, wenn ich vorbeigehe, pinkelt einer ungeniert an die Mauer. Ich hasse es! Gleich geht es mir mit dem Spucken. Einfach nur eklig! Ich wünschte mir Strafen wie in Singapur, aber das sind leider nur Wunschträume.
Warum ich trotzdem bleibe
All diese Dinge nerven. Ja, sie bringen mich manchmal zur Verzweiflung, lassen mich fluchen, die Augen verdrehen und innerlich schreien: „Warum tu ich mir das an?“ Und trotzdem – ich bleibe.
Denn Indien ist viel mehr. Es ist auch lebendig, herzlich, voller Überraschungen. Für jeden Moment, der mich nervt, gibt es einen anderen, der mich berührt. Ein Lächeln, ein unerwartetes Gespräch, ein Sonnenuntergang, der alles vergessen lässt.
Und du? Was nervt dich manchmal in Indien – oder an deinem eigenen Alltag? Schreib es mir gern in die Kommentare.