Ein Balanceakt zwischen Großzügigkeit und Zurückhaltung
Ich bin immer wieder erstaunt, wie unüberlegt und unwissend manche Reisenden in Indien mit Trinkgeldern umgehen. Die einen scheinen mit Spendierhosen ausgerüstet zu sein und geben Trinkgelder, die teilweise einem ganzen Tagesverdienst entsprechen und andere zeigen sich so knausrig, dass es schon fast peinlich wird. Trinkgeld in Indien zu geben, scheint viele Reisende zu verunsichern. Zeit, einige aktuelle Tipps für eure Indienreise mit euch zu teilen.
Ich gönne jedem ein gutes Trinkgeld, denn die Löhne im Bereich der Dienstleistungen sind in Indien wirklich erschreckend niedrig. Auch wenn einem der eine Euro hier und da nicht wehtut, sollte man trotzdem bedenken, wie es ankommt, wenn man für kleine Dienstleistungen ein zu hohes Trinkgeld gibt. Da werden Erwartungshaltungen aufgebaut, die nicht jeder Reisende erfüllen kann oder will. Zukünftige Touristen werden es euch danken, wenn ihr versucht, einen guten Mittelweg zu finden.
Eine weiße Haut zu haben, bedeutet für die meisten Inderinnen und Inder, dass man mit Wohlstand und Geld gesegnet ist. Im Vergleich zu einem großen Teil der Bevölkerung Indiens trifft dies natürlich auch zu.
Durchschnittliche Gehälter in Indien
Die Gehälter in Indien variieren sehr stark. Allgemein kann man sagen, dass die Gehälter in den Metropolen höher sind als in kleineren Städten und auf dem Land. Je qualifizierter und erfahrener ein Arbeitnehmer ist, desto höher sind natürlich auch die Löhne. Diese Angaben sind durchschnittliche Richtwerte, um eine Idee davon zu bekommen, was verschiedene Berufsgruppen ungefähr verdienen. Die Löhne können auch von Bundesstaat zu Bundesstaat stark abweichen.
Aktuelle Durchschnittseinkommen:
- Kellner: Das durchschnittliche Monatsgehalt eines Kellners liegt je nach Erfahrung bei 19’000 bis 43’000 Rupees (204-462 Euro). Wobei es natürlich stark davon abhängig ist, was es für ein Restaurant ist und wo es steht. Unqualifizierte Arbeitskräfte und Kellner in einfachen Restaurants verdienen rund 15’000 Rupees ( *161Euro), während ein qualifizierter Kellner in einem sehr guten Restaurant bis 60’000 Rupees (*644 Euro) verdienen kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Trinkgelder in der Gastronomiebranche ein zusätzlicher Bestandteil des Einkommens sein können.
- Arbeiten auf dem Bau (Tamil Nadu 2024):
- Hilfsarbeiter 850 Rupees pro Tag (*9,10 Euro)
- Hilfsarbeiterin 750 Rupees pro Tag (*8.00 Euro)
- Maurer 1100 Rupees pro Tag (*11.80 Euro)
- Sanitär 1200 Rupees pro Tag (*12.80 Euro)
- Schreiner 1200 Rupees pro Tag (*12.80 Euro)
- Bauingenieur 30’000 pro Monat (*322.20 Euro)
- Das durchschnittliche Monatsgehalt einer Krankenschwester in Indien beträgt 25’000 Rupees (*268.60 Euro). Einstiegspositionen beginnen bei rund 16’800 Rupees (*180.50 Euro) pro Monat, während sehr erfahrene und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise auf der Intensivstation bis zu 60’000 Rupees (*644.65) oder mehr im Monat verdienen können.
- Lehrkräfte: Das durchschnittliche monatliche Lehrergehalt in Indien kann je nach Schulart, Erfahrung und Standort variieren. Je qualifizierter und höher die Stufe, desto höher ist das Gehalt. Im Allgemeinen liegt das Gehalt für Lehrer in Indien zwischen 20.000 (*214.90 Euro) und 67.000 Rupees (*719.86 Euro) pro Monat. Das indische Durchschnittsgehalt eines Lehrers liegt bei 28’500 Rupees (*306.20 Euro) pro Monat. Gerade diesen Monat wurde mir eine Vollzeitstelle als Deutschlehrerin an einer internationalen IB-Schule angeboten. Der Lohn wäre 60’000 (644.65) Rupees gewesen. Ich habe dankend abgelehnt.
- Putzfrau: Das Gehalt einer Putzfrau in Indien hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich des Beschäftigungsumfangs und der Arbeitsbedingungen. Die Schätzungen variieren, aber im Allgemeinen können Putzfrauen zwischen 13’500 (*145.05 Euro) und 20’000 Rupees (*214.90 Euro) pro Monat verdienen.
- Köchin in Privathaushalt: Da ich nun Vollzeit arbeite, haben wir eine Köchin angestellt. Sie kommt zweimal täglich und kocht für uns das Mittag- und Abendessen. Sie verdient monatlich 8000 Rupees (*85.95 Euro) Sie hat jedoch noch andere Arbeitsstellen.
- Chauffeur Vollzeit : 15‘000 bis 30‘000 Rupees (*161.20 bis 322.30 Euro) pro Monat. Dies hängt natürlich auch von der Auftragslage ab. Während der Corona-Pandemie hat diese Branche massiv gelitten. Als Privatchauffeur bei einer privaten wohlhabenden Familie kann ein erfahrener und zuverlässiger Fahrer jedoch auch das Doppelte bis Dreifache verdienen.
*Wechselkurs INR-Euro: 5. September 2024
Aktueller Wechselkurs / Umrechnung indische Rupien – Euro
https://wise.com/de/currency-converter/eur-to-inr-rate
Die Wichtigkeit der kleinen Scheine
Trinkgeld ist immer Ausdruck der Kundenzufriedenheit. Ist man unzufrieden mit einer Dienstleistung, dann sollte man auch kein Trinkgeld geben.
Die Schwierigkeit in Indien ist, dass man ständig einen Mangel an kleineren Scheinen hat. Besonders auf Reisen werden die 5er, 10er und 20er wichtig. Daher sollte man die großen Scheine, die man beim Automaten rausgelassen hat, möglichst schnell loswerden, sodass man immer etwas Kleingeld hat. Natürlich werden auch Trinkgelder in Dollar oder Euro gerne gesehen.
Oft wird man beim Bezahlen gefragt, ob man es kleiner hat, denn auch hier ist Wechselgeld oft rar. Wenn ich knapp an kleinen Scheinen bin, verneine ich dies und nehme es in Kauf, etwas länger auf mein Wechselgeld zu warten. Man sollte darauf achten, dass die Geldscheine nicht beschädigt sind, denn diese bringt man nicht mehr los. Man könnte sie bei der Bank eintauschen, aber der administrative und zeitliche Aufwand lohnt sich in der Regel nicht.
Ich merke mir immer, was für Kleingeld ich in meinem Portemonnaie habe. Öffnet man seine Geldbörse, um einem alten Bettler einen 5er oder 10er zu geben, sollte man schließlich auch wissen, ob man überhaupt noch einen dabei hat.
Trinkgeld in Indien: Im Restaurant und im Hotel
Wenn der Service gut war, dann sollte man im Restaurant rund 10 Prozent geben. Manche Restaurants berechnen die Service Charge mit 10 Prozent selbst, obwohl dies eigentlich nicht zugelassen wäre und die Angestellten wohl nichts davon sehen. Ist die Service Charge auf der Rechnung aufgelistet, dann sollte man kein Trinkgeld mehr bezahlen. Bitte nicht verwechseln mit der SGST, der State Goods and Service Tax, die mit 2.5 % als Teil der Mehrwertsteuer immer verrechnet wird.
In besseren und teuren Restaurants kann man ruhig auf 5-7 % runter gehen oder, wenn der Service ausgezeichnet war, an den 10 Prozent festhalten.
Im Hotel sollte man bei der Rezeption immer darauf achten oder nachfragen, ob es eine Trinkgeld-Box gibt. Hier kann man am Abreisetag einen größeren Betrag einwerfen, der dann hoffentlich allen Angestellten zu Gute kommt. Auch hier würde ich, je nach Zufriedenheit, 5-10 Prozent der Gesamtrechnung übergeben.
Will man einzelne Angestellte, die besonders nett und zuvorkommend waren, mit einem Trinkgeld beglücken, mache ich dies in der Regel am Abreisetag mit einem etwas höheren Betrag. Hier rechne ich pro Tag, je nach Hotel, zwischen 20-50 Rupees. Je teurer das Hotel, desto höher sollte auch das Trinkgeld ausfallen. Erfüllen Angestellte extra Botengänge, die nicht zur üblichen Arbeit gehören, sollte man diese immer mit einem Trinkgeld belohnen. Besorgt mir ein Angestellter beispielsweise eine Flasche Bier im Ort, dann würde ich ihm rund 50-100 Rupees geben.
Trinkgeld in Indien: Kofferträger, Fahrer, Touristenführer und Co
Das Trinkgeld für Kofferträger in Indien kann je nach Ort, Art des Gepäcks und dem Service variieren. Hier sind einige Richtlinien, die als Anhaltspunkte dienen können:
In Hotels: In gehobenen Hotels wird oft erwartet, dass Gäste den Kofferträgern Trinkgeld geben. Ein angemessenes Trinkgeld beträgt in der Regel zwischen 20 und 50 Rupees pro Koffer. Sie können auch je nach Größe oder Gewicht des Gepäcks variieren.
Bahnhöfe: An Bahnhöfen können Kofferträger ganz schön aufdringlich werden und das Gepäck einfach unaufgefordert an sich reißen. Ich mag das gar nicht und trage es dann lieber selbst oder suche mir jemanden aus. Auch hier bewährt es sich als Tourist den Preis vorher auszuhandeln, ansonsten muss man am Ende lange Preisverhandlungen führen. Wenn man an einem Bahnhof von einem Kofferträger unterstützt wird, ist es üblich, ein Trinkgeld von etwa 50 indischen Rupien zu geben. Man kann den Betrag je nach Anzahl der Gepäckstücke und der erbrachten Servicequalität anpassen. Natürlich kommt es auch darauf an, wie weit das Gepäck getragen werden muss.
Ist man mit einem Taxi oder einer Rikscha unterwegs, werden keine Trinkgelder erwartet. Beim Bezahlen rundet man meistens auf, da die Fahrer oft kein Wechselgeld haben. Wichtig ist auch hier, dass man den Preis vorher verhandelt.
Sehr einfach ist es in den Städten geworden. Da kann man sich über die Apps Ola oder UBER sehr einfach ein Taxi oder eine Rikscha bestellen. Der Preis ist fix und das oft mühselige Aushandeln des Preises fällt weg.
Wenn man für längere Zeit mit einem eigenen Fahrer unterwegs ist, dann wird am letzten Reisetag ein Trinkgeld erwartet. Auch hier sollte das Trinkgeld nach Zufriedenheit ausfallen. Ich würde je nach Größe der Gruppe 300-600 Rupees pro Tag geben.
Wenn man mit dem Fahrer besonders zufrieden war, kann man auch ein höheres Trinkgeld geben. Der Betrag kann je nach Professionalität, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des Fahrers höher ausfallen. Letztendlich liegt es im persönlichen Ermessen, wie viel Trinkgeld man geben möchte.
Für einen Touristenführer sollte man je nach Zufriedenheit und Qualität rund 100 – 200 Rupees Trinkgeld einrechnen. Bei einer Gruppentour 50 – 100 Rupees pro Person. Ist es eine absolut professionelle und auch auf individuelle Bedürfnisse eingehende Führung, die vom Guide hohe Kompetenzen und Fachkenntnisse verlangt, dann kann das Trinkgeld von 300-1000 Rupees gehen.
Sind wir mit dem Auto unterwegs und essen auswärts, dann bekommt der Parkeinweiser immer einen 10er oder 20er. Auch netten Klofrauen gebe ich oft einen 10er oder lasse einige Münzen da.
Natürlich darf man sich als Tourist auch mal erlauben, für besonders guten Service etwas großzügiger zu sein, denn viele Angestellte sind wirklich auf Trinkgelder angewiesen.
Bitte dabei die indischen Gehälter und die Lebenskosten nicht ganz vergessen!
11 Antworten
Sehr hilfreich, hätte ich das doch nur vor unserer Reise gewusst. Aber so ungefähr haben wir es auch gemacht. Schade, dass manche Menschen in Indien sehr aggressiv auf höheren Trinkgeldern bestehen.
Danke für deinen Kommentar. Ja, viele Touristen geben leider zu hohe Trinkgelder und als Folge davon steigt die Erwartungshaltung ungemein an. Liebe Grüsse aus Chennai Irène
Liebe Irene,
es wäre sehr schön, wenn du den Artikel auch in meiner FB-Gruppe teilst (oder wenn ich das tun darf), er ist wirklich sehr hilfreich…
Du kannst den Artikel gerne in deiner Gruppe posten. Ich poste meine Artikel bewusst nicht dort, weil ich weiss, dass keine „Werbung“ erlaubt ist. LG aus Chennai Irène
Danke Irene für die Ausarbeitung. Jetzt brauche ich nur noch eine Gelegenheit, mein Trinkgeld nach Indien zu bringen. Wäre doch mein Brötchengeber nicht so knauserig… 😉
Irgendwann wird es schon klappen. Im Moment ist es sowieso viel zu heiss- wir haben schon seit Tagen 40 Grad und mehr. Liebe Grüsse nach Berlin Irène
Da hasst du Recht, ich hoffe auf Reisemöglichkeiten im Oktober/November … mal sehen wie ich die überzeugt kriege
Hallo liebe Irene,
Wir sind gerade in Indien unterwegs. Thema Trinkgeld beschäftigt auch uns. Hatten bei GetYourGuide eine golden triangle tour (Delhi Agra Jaipur) gebucht, zu zweit mit eigenem Fahrer. Jetzt stellt sich die Frage, wieviel Trinkgeld wirklich angemessen ist, sowohl für die einzelnen Guides, als vor allem auch für den Fahrer, der uns 3,5 Tage begleitet und fährt. Danke für deinen Rat.
Hallo Stefan
Das kommt natürlich darauf an wie viel ihr für den Fahrer bezahlt und wie ihr zufrieden seid. Leider bezahlen Touristen gerade im Goldenen Dreieck oft sehr hohe Trinkgelder. Ich würde dem Fahrer bei Zufriedenheit rund 1000-2000 Rupien geben (für beide). Das ist für 3.5 Tage ein gutes Trinkgeld, aber es kann durchaus sein, dass seine Erwartungen höher liegen. Angaben für Guides ist schwierig, das kommt auf die Zeit und die Qualität an. Ich würde rund 100-200 Rupien pro Person geben, für eine 1/2 Tagestour. Wenn der Guide sehr professionell war etwas mehr. Ich hoffe, dass dir dies weiter hilft und wünsche eine tolle Zeit in incredible India.
Liebe Grüsse Irène
Liebe Irene….vielen Dank für deine tollen Tips.
Hast du evtl einen Vorschlag für Trinkgeld Masseurin im Hotel ???
Lieber Uwe, für eine Massage würde ich wahrscheinlich je nach Zufriedenheit 5-10 % der Massagekosten geben. LG Irène