Zum zweiten Mal in meinem Leben durfte ich eine partielle Sonnenfinsternis miterleben. Ich erinnere mich noch gut an das Großereignis im August 1999. Mit einer spezieller Schutzbrille, die man in der Schweiz überall kaufen konnte, versuchte ich den Mondschatten auf der Sonne zu sehen. Doch das Ganze endete unspektakulär enttäuschend, denn außer einigen Wolken, war am Himmel nichts zu erkennen.
Heute hat sich das eindrückliche Naturphänomen in Südindien wiederholt. In Chennai haben wir eine 84.7-prozentige Sonnenfinsternis erlebt, die im Gesamten 3 Stunden und 11 Minuten gedauert hat. Doch dieses Mal waren wir gänzlich unvorbereitet. Ich wollte zwar im letzten Moment noch Brillen besorgen, aber Prabhu meinte, dass man vielen Brillen nicht trauen kann und er keine bleibenden Augenschäden riskieren möchte. Ich solle das Ereignis einfach am Fernseher beobachten.
Kurz nach 8 Uhr morgens begann die Sonnenfinsternis. Als ich gegen 9 Uhr meine Wäsche auf der Dachterrasse aufhängte, konnte ich nicht widerstehen und warf einen ganz winzigkleinen Blick zur Sonne. Ein schmaler Streifen war bereits verdeckt. Um 9 Uhr war Zeit zum Kochen. Da noch Reste von gestern übrig waren, ging es recht schnell. „Ihr solltet heute nicht vor 12 Uhr essen und vorher ein Bad nehmen.“, meinte mein Schwiegervater wohlwollend. Ich versuchte ihm nett zu erklären, dass ich nicht an solche Dinge glaube.
Manchmal denke ich, dass es wohl kein Land gibt, das so abergläubisch ist wie Indien. Sonnen- und Mondfinsternisse werden in der hinduistischen Mythologie als äußerst ungünstig beschrieben. Die Sonne, die als wichtigste Lebenskraft im Universum verehrt wird, verschwindet während der Sonnenfinsternis und ist ein Omen für alles Böse. Um sich vor den schlechten Energien zu schützen, gibt es eine Fülle an Dingen, die man tun oder eben gar nicht tun sollte. Obwohl die Naturwissenschaftler versuchen, die Menschen aufzuklären, halten sich sehr viele an diese Rituale und Gebräuche.
Was man bei einer Sonnen- oder Mondfinsternis tun oder auf gar keinen Fall tun sollte:
- Während dieser Zeit sollte man keine Poojas (Andachten um Gott zu preisen) durchführen oder gar Götterstatuen oder -bilder berühren. Tempel bleiben während einer Mond- und Sonnenfinsternis geschlossen. Danach werden die Götter gewaschen, um sie zu reinigen und zu beruhigen.
- Meditation und das Singen von Mantras während einer Finsternis soll vor bösen Folgen schützen.
- Viele kochen und essen während einer Finsternis nichts.
- Ganz Abergläubische schlafen während einer Finsternis nicht und vermeiden es aufs Klo zu gehen.
- Schwangere gelten als besonders gefährdet. Um das ungeborene Kind zu schützen, sollte eine Schwangere das Haus nicht verlassen.
- Nach der Finsternis sollte man ein Bad nehmen und frische, saubere Kleidung anziehen.
Ich habe übrigens die 3 Stunden und 11 Minuten erfolgreich überlebt und das Geschehen teilweise am Fernseher mitverfolgt. Ungeduscht und vor 12 Uhr habe ich auch mein Frühstück gegessen ;-)!
3 Antworten
Schön dass du noch lebst 😁👋😎
Hat ganz toll ausgesehen diese „Ringfinsternis“ !
Bei uns war es nicht ganz ein Ring dafür hätte man noch weiter in den Süden reisen müssen. LG