Weihnachten feiern in Indien?

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Unser indischer Weihnachtsbaum

Ja, wir feiern auch hier in Indien Weihnachten. In unserer kleinen Familie haben sowohl hinduistische als auch christliche Feiertage ihre Bedeutung. Gewisse Weihnachtstraditionen habe ich aus meiner Kindheit übernommen und einige sind dazugekommen.

Dieses Jahr feiern wir zum 11. Mal Weihnachten in Indien. Zu Beginn meiner Auswanderung war dies schwierig. Bei Sonnenschein und 30 Grad in Weihnachtsstimmung zu kommen, fiel mir schwer. Auch jetzt noch verbinde ich Weihnachten innerlich mit Kindheitserinnerungen. Wenn ich an Weihnachten denke, ploppen in mir umgehend klischeehafte Weihnachtsgefühle und die dazugehörigen Bilder auf. Verzauberte Schneelandschaften, das Sammeln von Tannenzweigen im Winterwald, bei Kerzenschein Glühwein oder Kräutertee trinken, mit der Familie besinnliche Weihnachtslieder singen und natürlich all die feinen Weihnachtsdüfte. Weihnachten riecht nach Zimt, Nelken, Mandarinen, Jutestoff, Weihnachtsplätzchen und Lebkuchen.

Als Kind wurde unser Weihnachtsbaum am Morgen des 24. geschmückt. Als mein Bruder und ich älter waren, durften wir immer mithelfen.

Die ersten Jahre habe ich es hier genauso gehalten, aber es fühlte sich nie stimmig an. Es kam mir vor, als würde ich per Knopfdruck von einem Hochsommertag unter den Weihnachtsbaum gebeamt. Ich realisierte, dass mir die Einstimmungszeit auf das Weihnachtsfest fehlte.

Als Erwachsene empfand ich den ganzen Weihnachtsrummel in der Schweiz oft stressig, aufdringlich. Manche Geschäfte begannen bereits Ende Oktober mit Weihnachtsdekorationen die Kundschaft zu bombardieren. Ständig daran erinnert zu werden, die Wohnung weihnächtlich zu dekorieren, Geschenke zu kaufen, Weihnachtsgüetzli zu backen, das Weihnachtsmenu zu planen, empfand ich damals eher lästig. Und meistens war meine Adventszeit so gedrängt und verplant, dass viele Erledigungen bis kurz vors Fest aufgeschoben wurden.

Doch hier in der Ferne fehlt mir diese Weihnachtsberieselung. Ist dies nicht erstaunlich?  

Hier merkt man wenig von Weihnachten. In den letzten Jahren ist in den Malls, den großen Einkaufszentren zwar etwas weihnachtlicher Kommerz eingezogen, aber bei nur 2.3 Prozent Christen hält sich dies in Grenzen. Amüsiert beobachte ich, dass sich auch Hindus von der Weihnachtseuphorie anstecken lassen. Die höhere Mittel- und Oberschicht zeigt sich gerne westlich und adoptiert Bräuche aus den USA.

Inzwischen habe ich Techniken entwickelt, um mich früher in Weihnachtsstimmung zu katapultieren. So stelle ich unseren künstlichen Weihnachtsbaum schon am 1. Dezember in die Wohnstube. Ein künstlicher Weihnachtsbaum mit elektrischen Lichtern! Darüber habe ich mich früher immer lustig gemacht, fand dies geschmacklos und ein absolutes NO GO! Doch inzwischen hat sich unser immergrüner Öko-Tannenbaum quasi zum Familienmitglied erhoben. Da er keine Nadeln verliert, darf er meistens auch bis am 31.12. stehen bleiben. Jedes Jahr kaufe oder bastle ich ein paar neue Dekorationen für unseren grünen Freund. Schließlich soll er an Weihnachten in seiner ganzen Pracht erstrahlen.

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Dieses Jahr selbstgenähte und mit Glitzersteinchen dekorierte Weihnachtskugeln.

Meistens hilft mir unser Sohn beim Schmücken und Dekorieren. Unsere schönen Ostheimer Krippenfiguren gehören zum Fest dazu. Am 1. Dezember machen sich Maria und Joseph auf den Weg nach Betlehem. Jeden Tag rücken sie ein Stückchen weiter, bis am 24. im Stall das Christkind geboren wird.

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Auch ein Adventskalender für unseren Sohn darf nicht fehlen. Dieses Jahr hat unser Teenager auch mir einen Kalender gemacht. Ich habe bezahlt und er eingekauft! Da ich mich so sehr über die Geschenke freute, habe ich dies sofort zur neuen Weihnachtstradition erklärt.

Zur Einstimmung backen wir Plätzchen, essen Nagpur Orangen und trinken heiße Schokolade. Auch der Märchenfilm „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ gehört bei mir ins Adventsprogramm. Starbucks ist in der Adventszeit auch toll. Da wird schon recht früh auf Weihnachten gesetzt. Gemütlich in einem Buch schmökern, einen weihnächtlichen Drink schlürfen und sich von wiederkehrenden Christmas Songs berieseln lassen. S. und ich lieben es.

Heiligabend feiern wir. Wir kochen etwas Feines, verbringen den Abend gemeinsam, haben eine kleine Bescherung und holen wieder mal unsere Brettspiele hervor. Auf Weihnachtslieder pfeifen meine Liebsten und so habe ich mich von „Leise rieselt der Schnee“ und „O du fröhliche“ mit etwas Wehmut verabschiedet. Im Vergleich ist unser Fest sicherlich weniger traditionell, dafür jedoch umso stressfreier.

Frohe Weihnachten euch allen!

 

 

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