Sadhguru und Co - warum ich keinen Guru brauche

Über Sadhguru und Co – warum ich keinen Guru brauche

Empört zeigte mir mein Liebster den Bildschirm seines Smartphones. “Sadhguru is my Guru, he is my Shiva” steht da als Motto bei WhatsApp. 

“Das ist schlicht und einfach ihre Entscheidung, was sie da als Motto postet”, erwiderte ich tolerant. Mein Mann sah dies etwas anders. “Ja, grundsätzlich schon, aber sie hat viel Einfluss, sie ist eine wichtige Ärztin und viele Menschen sehen diese Nachricht. Wie kann sie dies öffentlich posten?”

Da hat er nicht ganz Unrecht. Ich habe mir auch einige Videos von Sadhguru angeschaut. Was er von sich gibt, finde ich gar nicht schlecht. Er sagt zwar nichts Neues, bezieht sich auf die hinduistischen Lehren und er präsentiert sich wortgewandt und witzig. Einen gewissen Guru-Charme kann man ihm tatsächlich nicht absprechen. Aber reicht dies aus, um ihn als “Gott” zu verehren? Guru bedeutet nicht Gott, sondern Lehrer. Seine Bücher und seine “Lehre” sind längst auch im Westen angekommen. Viele Westler pilgern in seinen Ashram nach Coimbatore im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Sie hängen dem charismatischen Redner an den Lippen, folgen seinen “Lehren” und leisten oft unentgeltlichen Sevadienst (freiwillige Arbeit).

Warum ich keinen Guru brauche ... über Sadhguru und Co
Gurus haben in Indien Tradition – und es gibt unzählige, die ihre Lehren an ihre Anhänger vergeben

Was mich an der ganzen Sache kritisch stimmt, ist dieses riesige Macht- und Geldimperium, das hinter der Isha Foundation steht. Da weiß sich jemand enorm gut zu vermarkten und die sozialen Medien werden professionell genutzt. Dass so viele Anhänger ehrenamtlich für die Stiftung arbeiten, trägt sicherlich entscheidend dazu bei. 

Was ich auch nicht verstehe, ist die Tatsache, dass Gurus immer ins Ausland reisen müssen. In Indien gäbe es wahrlich genug Gutes zu tun und bei einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen mangelt es nicht an “Kundschaft”. Da ist Sadhguru nicht der Einzige, auch “Amma”, die Heilige, die Menschen umarmt, reist immer wieder ins Ausland. In Indien scheint es nicht genug Menschen zu geben, die sie umarmen könnte. Klar ist, dass bei Europa-Touren enorme Summen mit dem Verkauf von Merchandise-Produkten und dem Sammeln von Spenden zusammenkommen.

Von einer Freundin weiß ich, dass Sadhguru auf seinen Reisen nur in 5-Sterne-Hotels mit zahlreichen Sonderwünschen logiert. Braucht eine erleuchtete Seele wirklich noch diesen Luxus? Ja, warum auch nicht, wenn man es sich leisten kann? Den Luxus, den sich viele Gurus anhäufen, hat man schon beim Ableben mehrerer Gurus gesehen, beispielsweise bei Bhagwan (Osho) oder auch bei Sathya Sai Baba. 

“Wahre Spiritualität darf nichts kosten“, meinte mein Mann und ich nickte zustimmend.

Doch mein Mann wollte es genau wissen. Als er mit seinem Vater die Herzchirurgin konsultierte, konnte er natürlich wieder einmal seinen Mund nicht halten und sprach sie darauf an. Sie meinte, sie würde gerne mit ihm darüber sprechen, aber mein Mann solle doch erst eigene Erfahrungen sammeln und mal einen Yogakurs der Isha Foundation besuchen, danach würde sie gerne mit ihm darüber sprechen. 

Zu meiner Überraschung meldete sich mein Mann tatsächlich kurz darauf bei einer Yogaklasse bei der Isha Foundation an. Nach nur 40 Minuten war er wieder zurück. “Was ist passiert?”, fragte ich ihn. “Fand der Kurs nicht statt?”

“Doch”, erklärte er.  “Aber bevor ich teilnehmen konnte, geben sie mir ein Formular zum Unterschreiben. Darin sollte ich die Isha Foundation von jeglicher Haftung im Zusammenhang mit der Teilnahme ausschließen. Und es war auch eine Art Datenschutzvereinbarung, so war es nicht gestattet, die Übungen mit Familienmitgliedern oder anderen Personen zu teilen. Das wollte ich nicht unterschreiben – und damit war die Teilnahme erledigt.”

Das kam mir ebenfalls suspekt vor. Für eine Yogaklasse quasi einen kleinen Vertrag mit Haftungsausschluss unterzeichnen – da hätte ich auch nicht mitgemacht. 

Ich finde, man soll und darf kritisch sein. Fragen zu stellen und etwas auf Herz und Nieren zu prüfen, macht Sinn, bevor man an etwas glaubt, Anweisungen oder gar einer Lehre folgt. 

Sadhguru versucht sein Imperium jedoch geschickt vor Kritik und unpassenden Fragen zu schützen. So sagte er beispielsweise:

“Wenn der Verstand unreif ist, findet er seinen Ausdruck in Form von Ablehnung. Kritik und Ablehnung wirken immer intelligenter als Akzeptanz und das Erschaffen von etwas. Immer klingt der Widerspruch intelligenter, weil sie nur kritisieren, sie tun gar nichts. 

Diejenigen, die etwas erschaffen, sehen nicht intelligent aus, denn wenn man etwas erschafft, wird man viele Fehler machen – einige Dinge laufen richtig, einige Dinge laufen falsch. Aber einer, der nur kritisiert, klingt plötzlich so intelligent. 

So gehen viele Menschen in der Welt – vor allem in den Medien – bedauerlicherweise vor. Nur sehr wenige von ihnen erschaffen wirklich etwas. Die meisten von ihnen kritisieren lediglich alles. Sie geraten in diesen Modus, in dem sie versuchen, immer eine Stufe über allen anderen zu stehen.”

Ich persönlich sehe Unreife und Naivität nur dort, wo man blind vertraut. Es ist wichtig, Dinge zu hinterfragen und Antworten auf berechtigte Fragen zu bekommen. Ich möchte nicht alles schlecht reden – jeder Mensch hat seinen individuellen Weg, um Glück oder Zufriedenheit zu finden. Aber ich wünsche mir, dass dieser Weg nicht über blinden Gehorsam und Vertrauen führt, sondern über eigenverantwortliches Denken, Fühlen und Erleben. 

Hier verlinke ich euch noch einen interessanten Artikel aus der Schweiz, als Sadhguru ans WEF in Davos eingeladen wurde.

Vielleicht interessiert du dich auch für die berühmte Yoga- und Guru-Stadt Rishikesh, wo damals auch die Beatles im Ashram von Maharishi weilten.

4 Antworten

  1. Spiritualität ist halt ein Geschäft und europäische Gurus mit ihren Motivationsseminaren und anderem esoterischem Tingeltangel machen auch eine Menge Kohle. Warum sollte das in Indien anders sein.

    Die hier von Sadhguru beschriebene Aussage zu Kritik und Ablehnung ist trivial. Eingängige Kalenderspruchweisheiten lassen sich halt gut vermarkten, im Orient wie im Oxident.

    Gönnen wir ihm seinen wirtschaftlichen Erfolg und das 5-Sterne-Hotel und sehen wir ihn als das was er ist: Ein Mensch mit der Gabe andere Menschen für sich einzunehmen.

    Begegnen wir ihm also, wie man all solchen Menschen begegnen sollte: Kritisch und mit einer guten Portion Skepsis. Liest man diesen Beitrag im Standard ist die Skepsis auch dringend angebracht:

    https://www.derstandard.de/story/2000134537210/was-star-yogi-sadhguru-in-wien-will

    Herzliche Grüsse aus der Schweiz
    http://www.derhalbhartemann.com

    1. Ja, da hast du recht. Er hat eine Gabe, andere für sich einzunehmen. Er ist wortgewandt, witzig und versteht sein Geschäft hervorragend. Wenn man ihn als geschickter Geschäftsmann sieht, dann ist dies auch für mich in Ordnung.
      Aber hier in Indien wird er von vielen als „Gott“ verehrt.

      Liebe Grüße in die Schweiz 🇨🇭 Irène

  2. Ich bin auch grundsätzlich kritisch gegenüber solchen Menschen, die anderen den goldenen Weg weisen. Ich finde jeder muss für sich entscheiden was für ihn richtig ist. Und das muss auch ohne Merchandising funktionieren.

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