Rajiv Gandhi Denkmal in Chennai

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Aus meinem Tagebuch vom März 2007

Es ist Sonntag. Für mich ist dieser Wochentag immer noch mit der westlich-christlichen Kultur verbunden und ein kleines Familienheiligtum. Doch hier in Indien sind nur grade 2,3 % Christen und so ist der Sonntag für viele ein ganz normaler Arbeitstag. Es ist nicht mal unhöflich um sieben Uhr morgens anzurufen und meinen Sonntagsfrieden zu stören. So wird mein Liebster zu meinem Bedauern auch sonntags nicht von vielen Geschäftsanrufen verschont. Heute, wir haben noch keine Pläne, ruft ausgerechnet ein Agent von Prabhu an und möchte ihm ein Stück Land außerhalb von Chennai zeigen. Prabhu wäre bereit, sich dies anzusehen, aber meine Sonntagsansichten stehen ihm natürlich im Weg. Elegant macht er mir die Landbesichtigung als Familienausflug schmackhaft. Da ich wenig Begeisterung zeige, zieht er noch den letzten Trumpf aus dem Ärmel: Das Rajiv Gandhi Denkmal! Schließlich willige ich in die Pläne meines arbeitswütigen Ehegatten ein und wir fahren los. Suriyan ist immer begeistert, wenn es mit dem Auto irgendwohin geht.

Die Landbesichtigung erweist sich als schwierig, da der Agent die Parzellen nur vom Plan her kennt. Pläne und Wirklichkeiten liegen in Indien teilweise weit auseinander. Es beeindruckt mich immer, wie hilfsbereit die Menschen hier sind. Wildfremde Menschen nehmen sich Zeit und versuchen zu helfen.

Schließlich fahren wir zum Denkmal. Eine schöne, gepflegte Anlage, die von vielen indischen Sonntagsausflüglern besucht wird, erwartet uns. Die sieben großen Säulen, die mit Zitaten von Rajiv Gandhi beschrieben sind, fallen auf Anhieb ins Auge.

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Hier wurde Rajiv Gandhi an einer Kundgebung am 21. Mai 1991 von einer Selbstmordattentäterin der Tamil Tigers ermordet und mit ihm wurden 16 weitere Teilnehmer aus dem Leben gerissen. Rajiv Gandhi war von 1984 –1989  Premierminister von Indien und hatte gute Aussichten, wieder ins begehrte Amt gewählt zu werden.

Eine tragische, politische Familiengeschichte tut sich hier auf:

Rajiv Gandhis Großvater ist der berühmte Jawaharlal Nehru, der erste Premierminister Indiens und damals enger Vertrauter von Mahatma Gandhi im gewaltlosen Widerstand gegen die Briten. Immer wieder wurde der gebildete Pandit, der in England Rechtswissenschaften studiert hatte, von den Briten ins Gefängnis gesteckt. Dort verfasste er 196 Briefe an seine einzige Tochter Indira und schilderte seine Ansichten und Ideologien. 1947 bis 1964 war Nehru im Amt und etablierte in Indien die demokratischen Werte und Strukturen, die er sehr an den Gesetzgebungen der ehemaligen Unterdrücker anglich.

Indira stieg, geprägt durch ihren Vater, schon in frühen Jahren in die Politik ein. Mit 21 Jahren war sie bereits Mitglied im Parlament. Sie heiratete den Politiker Feroze Gandhi, der nicht mit dem großen Mahatma Gandhi verwandt war, aber dessen Name ihr für die spätere Politkarriere sehr zu Gute kam. Bald darauf erblickten die beiden Söhne Rajiv und Sanjay das Licht der Welt. Indira wurde die engste Vertraute ihres Vaters und nach seinem Tod 1964 wurde sie nach kurzer Zeit zur Premierministerin gewählt. Die Herausforderungen und Probleme, die es während ihrer Amtszeit von 1966 bis 1977 zu bewältigen gab, waren riesig.

Armut, Bevölkerungswachstum, schlechte Wirtschaftslage, Korruption, Unruhen, … machten ihr das Leben schwer. Sie begegnete den Schwierigkeiten mit Härte, Skrupellosigkeit und autoritärer Macht. Als sie vom Gericht wegen Korruption im Wahlkampf verurteilt wurde, verhängte sie kurzerhand den Ausnahmezustand, ließ viele Oppositionsgegner verhaften und schränkte die Pressefreiheit ein.

Sanjay, ihren zweitgeborenen Lieblingssohn, baute sie zum Nachfolger auf. Dieser wurde in seinen Ansichten jedoch immer extremer. Er war Initiant für Millionen von Zwangssterilisationen, die im ganzen Land für Entsetzen sorgten. Indira Gandhi wurde schließlich abgewählt, kämpfte sich 1980 jedoch wieder an die Regierungsspitze zurück.

Ein schwerer Schlag traf sie, als ihr Sohn Sanjay bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Böse Zungen hinterfragten jedoch den Unfall und wilde Spekulationen, ob nicht sogar die eigene Mutter die Hände im Spiel hatte, kursierten.

Nun wurde der ältere, zurückhaltendere Sohn Rajiv, der Pilot bei der Indian Airlines war, überredet in die Politik einzusteigen.

Die zweite Regierungszeit wurde von großen Unruhen überschattet. In Punjab verhinderte Indira Gandhi die Bildung eines autonomen Sikhenstaates mit der Stürmung des Goldenen Tempels in Amritsar, dem größten Heiligtum der Sikhs. Für diese Ungeheuerlichkeit bezahlte sie am 31. Oktober 1984 mit ihrem Leben. Sie wurde von zwei Sikhs ihrer eigenen Leibgarde erschossen.

Noch am selben Tag wurde Rajiv Gandhi als Premierminister vereidigt, während es in vielen Teilen des Landes zu blutigen Auseinandersetzung gegen die Sikhs kam. Rajiv Gandhi war mit Sonia Gandhi verheiratet und sie hatten zusammen zwei Kinder Rahul und Priyanka. Sonia Gandhi, ursprüngliche Italienerin, war gar nicht begeistert, als ihr Mann sich entschloss in die Politik einzusteigen. Sie hatte sich ihr Leben wohl anders vorgestellt, als sie Rajiv bei einem Sprachaufenthalt in Cambridge kennenlernte.

Nach dem tödlichen Attentat wurde jedoch auch sie von der Kongress Partei gedrängt, in die Politik einzusteigen.

Doch erst sechs Jahre später, als die Hindu-Nationalisten in Delhi an die Macht kamen, übernahm sie den Parteivorsitz. Sie fühlte sich durch ihre Angehörigen, die für die Kongress Partei gelebt und gestorben sind, verpflichtet. Obwohl sie wegen ihrer italienischen Herkunft immer wieder angegriffen wurde, führte sie die Kongress Partei wieder an die Spitze zurück.

2004 hat sie das Amt der Premierministerin jedoch ausgeschlagen und Manmohan Singh vorgeschlagen. Erstmals hatte das Land einen Sikh zum Regierungschef und Sonja Gandhi, die scheinbar so selbstlos verzichtete, wird vom Volk schon fast als Heilige verehrt.

Ihr Sohn Rahul mischt in der indischen Politik bereits mit. Dies erstaunt nicht, denn der Lebensweg des Stammhalters scheint vorbestimmt.

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