Als ich nach Indien auswanderte, wusste ich: Ich werde mich auf vieles einstellen müssen – auf eine neue Kultur, ein anderes Klima, fremde Gerüche, Geräusche und natürlich: auf ganz andere Lebensumstände. Was ich allerdings unterschätzt habe, war meine tiefsitzende Abneigung gegenüber allem, was krabbelt, kriecht oder summt. Ich bin ganz ehrlich: Obwohl ich Tiere liebe, sind Insekten und Kleingetier definitiv nicht meine Freunde.

Schon beim Gedanken an Kakerlaken bekomme ich Gänsehaut. Und Indien – das Land der Vielfalt – hat natürlich auch in dieser Hinsicht viel zu bieten. Und wie!
Die erste Begegnung: Panik im Badezimmer
Unsere erste Wohnung hatte ein kleines Badezimmer mit einem Abfluss im Boden. Ich war gerade dabei, mich einzuleben, als sie mir zum ersten Mal begegnete: eine Kakerlake, groß, glänzend und mit zu vielen Beinen. Sie kroch seelenruhig den Abfluss hoch, als wäre es das Normalste der Welt. Für mich war es das nicht. Ich stand da, barfuß, schrie und lief so schnell wie möglich vor diesem braunen ekelhaften Käfer davon. Mein Mann, sofort zur Hilfe eilend, konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und meinte nur, warum ich denn so ein Drama mache.
Bei der zweiten und dritten Kakerlake fiel mir fast das Herz in die Hose. Ich wusste: So kann ich nicht weitermachen – vor allem nicht mit einem kleinen Kind im Haus. Also zwang ich mich, tapfer zu sein. Ich wollte meinem Sohn schließlich keine Insektenphobie mit auf den Weg geben. Also griff ich – mit Herzklopfen – zum Schuh, zur Zeitung, zum Giftspray. Je nachdem, was gerade greifbar war. Und siehe da: Ich überlebte. Die Kakerlaken leider nicht- jedenfalls nicht alle.
Schlangenalarm in der Nachbarschaft
Als wäre das alles nicht genug, wurde ich eines Morgens Zeugin eines Ereignisses, das mir fast den Atem raubte: Unsere Nachbarin hatte eine Schlange im Haus! Offenbar hatte sie die Tür zu lange offen gelassen – ein Fehler, den sie so schnell nicht wiederholen wird. Zwei Männer kamen mit langen Stöcken und trugen das graue Reptil aus dem Haus. Es war, wie sich später herausstellte, ungiftig. Aber mal ehrlich: Wer kennt sich als europäische Auswanderin schon mit indischen Schlangen aus? Gut, eine Kobra würde sogar ich erkennen – hoffe ich zumindest.
Springspinnen, Ameisen und andere Mitbewohner
Wir leben mit einigen Geckos zusammen im Haus. Und auch diese Mitbewohner fand ich anfangs sehr befremdlich und ich bin so oft erschrocken, wenn sie unerwartet an mir vorbeihuschten. Doch als ich einmal einen kleinen Gecko mit einer großen Kakerlake im Maul entdeckte, fand ich sie toll und sie wurden meine Freunde. Mit der Zeit gewöhnte ich mich tatsächlich an die kleinen Tierchen, die in Indien nun mal zum Alltag gehören.
Angst machte mir im Vorfeld die Vorstellung von Spinnen, großen Spinnen mit langen Beinen. Doch diese Sorge war gänzlich unbegründet. Im Haus habe ich ab und zu kleine Springspinnen, die wie kleine Akrobaten durch das Haus hüpfen. Da sie kurze Beine haben und klein sind, hatte ich damit nie Probleme.
Ameisen, vor allem die kleinen Roten, sind sehr nervig. Gerne kommen sie auch in die Häuser und bauen Straßen durch Betten und Küchenschränke. Eine winzig kleine Lücke in einer Aufbewahrungsbox genügt, um sie anzulocken. Wichtig ist, dass man keine Lebensmittel offen herumstehen lässt und nichts im Bett oder im Schlafzimmer isst. Solange das Haus sauber ist und keine Krümel herumliegen, halten sich Ameisen ziemlich in Grenzen. Ich habe gelernt: Hygiene und sicher verschlossene Tupperware-Dosen sind die halbe Miete. Und ein bisschen Gelassenheit die andere Hälfte.
Der wahre Horror: Läuse!
Gerade als ich dachte, ich hätte mich einigermaßen an das tropische Getier gewöhnt, traf mich die nächste Katastrophe: Kopfläuse!
Unser Sohn, der damals die Play School besuchte, brachte sie mit nach Hause. Großzügig hatte er seine kleinen Mitbewohner auch an mich weitergereicht. In der Schweiz hatte ich noch nie Läuse gehabt. Mit meiner „lausfreien“ Vita war es wirklich schwierig gelassen zu bleiben.
Ich versuchte es danach vorbeugend mit einem Läuseschutz-Spray mit ätherischen Ölen, den ich in der Schweiz gekauft hatte. Aber die indischen Kopfläuse ließen sich davon nicht abschrecken – im Gegenteil. Das ganze Drama wiederholte sich sicherlich 4 mal und jedesmal nisteten sich diese kleinen Parasiten auch auf meinem Kopf ein. Nur wenn ich an Läuse denke, beginnt mein Kopfkino und meine Kopfhaut beginnt zu jucken!
Glücklicherweise wurde es in der Vorschule dann besser und durch regelmäßige Kontrollen bekamen wir auch dies in den Griff.
Zwischen Ekel, Anpassung und Alltag
Rückblickend muss ich sagen: Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Ja, die Umstellung war groß – aber mit der Zeit habe ich gelernt, die kleinen Schrecken des Alltags zu überwinden. Es hilft, wenn man nicht alles dramatisiert. Ein Stück weit gehört das alles eben dazu, wenn man in einem Land wie Indien lebt.
Ich habe mich verändert und bin diesbezüglich mutiger geworden. Auch jetzt hasse ich dieses Kleingetier, aber inzwischen schlage ich Kakerlaken problemlos tot, ohne einen Nervenzusammenbruch zu bekommen ;-).
In meiner Küche oder im Badezimmer gibt es ab und zu wieder Kakerlaken. Ich halte mich jedoch mit Gifteinsatz zurück, denn in meiner Küche leben auch 2 oder 3 Geckos. Meine liebgewonnenen Freunde möchte ich nicht vergiften und in der Nacht brauchen sie etwas zum Jagen.
Man gewöhnt sich tatsächlich an viele Dinge- auch an Krabbelgetier in Indien – und lernt, sich damit zu arrangieren.
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