Zwischen dem 11. April und dem 19. Mai wird in Indien das Unterhaus des indischen Parlaments, die Lok Sabha, gewählt.
Heute ist es in Tamil Nadu soweit. Mein Mann und meine Schwiegereltern brechen bereits kurz nach 7 Uhr auf, um ihre Stimmen abzugeben. Die Schulen sind heute alle geschlossen und viele werden als Wahllokale gebraucht. Die Sicherheitsmaßnahmen liegen hoch, und viele Polizisten sind vor Ort. Im Umkreis von 100 m ist jeder Wahlort für Motorfahrzeuge abgeriegelt. Bereits am frühen Morgen bilden sich Wartereihen. Meine Schwiegereltern wurden als Senior Citizens vorgelassen und konnten so die Warterei umgehen. Mein Mann jedoch musste sich artig in die Reihe stellen und rund eine halbe Stunde warten.
Jedes Wahllokal muss für schattenspendende Vorrichtungen, kostenloses Trinkwasser und auch für medizinische Versorgung aufkommen.
Wahlen stellen die indische Regierung vor riesige logistische Herausforderungen. Allein im Bundesstaat Tamil Nadu werden rund 40 Millionen Stimmberechtigte wählen gehen. Auch abgelegene Ortschaften müssen mit der nötigen elektronischen Technik ausgestattet werden. Die Geräte müssen einfach in der Bedienung und der Wartung sein. Manche können nicht gut oder gar nicht lesen. So hat jede Partei einfache Symbole, die die Bedienung vereinfachen soll. Auf einer großen elektronischen Tafel sind alle 40 Kandidaten aufgeführt und können per Knopfdruck gewählt werden.
Während in der Schweiz die durchschnittliche Stimmbeteiligung bei rund 45 % liegt, nehmen viele Inder und Inderinnen ihr Stimmrecht wahr. 1962 verzeichnete Tamil Nadu eine Stimmbeteiligung von 63 % bei den Männern und 43 % bei den Frauen. Bei den letzten Parlamentswahlen 2014 erreichten die Anteile der Frauenstimmen 66 % und die der Männer 67 %. Bei diesen Wahlen wird eine Stimmbeteiligung von rund 70 Prozent erwartet.
Die Wahlen in der größten Republik der Welt sind auch mit immensen Kosten verbunden. Bei den Wahlen 2014 wurden 5 Milliarden US Dollar ausgegeben. Schätzungen zu folge, dürften diese in diesem Jahr noch bedeutend höher liegen.
Ich finde es schon unglaublich spannend, was hier abgeht. Die Leute nehmen langes Anstehen bei Temperaturen über 35 Grad in Kauf, um ihre politischen Rechte wahrzunehmen. In der Schweiz würde dies kaum jemand tun. Sogar durch die bequeme Variante mit der brieflichen Abstimmung steigt die Stimmbeteiligung nicht an.
Zwei Tage vor dem Wahltag begannen übrigens die Dry Days. Das heißt, dass kein Alkohol verkauft werden darf. Wer keinen Vorrat zu Hause hat, liegt diese Tage alkoholtechnisch auf dem Trockenen.
6 Antworten
Absolut interessant. Danke!
Logistisch kaum vorstellbar, erleben wir auch in Delhi noch etwas Wahlkampf. Der eine Fahrer ist für Modi, der andere für Gandhi. Aber so muss Demokratie sein, solange alle die Nerven behalten ist das ein grosses Beispiel für andere Weltmächte!!
Das stimmt! Und der Einsatz von Polizei und Militär unterstützt manche dabei, ihre Nerven zu behalten 😉! Hier in TN sind sowohl die BJP und auch die Congress Party chancenlos.
Ui, da muss ich mich mit beschäftigen
Die politische Stimmungsmache wird auch hier in Indien immer heftiger und unanständiger. Ein Trend, der leider weltweit zu beobachten ist.
Interessant mal zu lesen ☺️ Viele Grüße aus Hsmburg!