Bereits in den 1940er Jahren gab es im Punjab Bestrebungen einen eigenen unabhängigen Staat zu gründen.
In den 70er und 80er Jahren bekam diese Idee neuen Auftrieb. Die religiösen Minderheiten fühlten sich von der zentralen Regierung kaum vertreten. Jarnail Singh Bhindranwale entpuppte sich immer mehr zum Kopf dieser extremistischen Separationsbewegung. In seinen Reden sprach er vor allem der Jugend aus der Seele und konnte bald eine große Gruppe junger Menschen für sich und seine Ziele gewinnen. Khalistan, so sollte das neue Land der Sikhs heißen, lag jedoch in weiter Ferne.
Indira Gandhi, damals Premierministerin, sah dies mit äußerster Besorgnis. Die Kongress Partei verlor im Punjab immer mehr politischen Machteinfluss. Mit harter Hand griff sie ein, um die Abspaltung des fruchtbaren Punjabs auf jeden Fall zu verhindern. Um der immer angespannteren Lage Herr zu werden, verlegte sie im Mai 1984 Truppen in den Punjab. Viele Verhandlungen führten zu nichts und so verschanzten sich die radikalen Separatisten um Bhindranwale, bis zu den Zähnen bewaffnet, im Akal Takht. Das Gebäude im Tempelkomplex des Goldenen Tempels gilt als der Sitz des Einen, als Sitz Gottes. Unter dem Kommando von Bhindranwale wurde der Tempel des Friedens zu einer waffenstarren Festung.
Am 3. Juni 1984 wurde der Befehl gegeben, das Areal des Goldenen Tempels zu stürmen. Mit Panzern fuhr die indische Armee vor. Das Ziel der Operation war Bhindrawale zu töten und seine Anhänger zu vertreiben. Doch genau an diesem Tag feierten die Sikhs ein Fest und mehr als 10‘000 Menschen pilgerten zum Goldenen Tempel, dem Allerheiligsten der Sikhgemeinschaft.
In der Nacht zum 4. Juni begannen die Soldaten mit der Einvernahme des Goldenen Tempels. Es kam zu heftigen Feuergefechten, die vier Tage andauerten. Am 7. Juni hatte die indische Armee ihr Ziel erreicht: Bhindranwale war tot! Mit ihn starben, laut Angaben der indischen Armee, 493 Widerstandskämpfer und Zivilisten. Die Gemeinschaft der Sikhs ging jedoch von 5000 Toten aus.
Die Zerstörung der Tempelanlage war gewaltig. Der Akal Takht und viele wertvolle heilige Schriften wurden bei Angriff vernichtet.
Doch damit war es Indira Gandhi noch nicht genug. Sie verhängte eine Nachrichtensperre über den Punjab und ließ keine Journalisten in den Bundesstaat. Um die Unabhängigkeitsbewegung des Punjabs gänzlich auszumerzen, fanden in den nächsten Monaten mehrere militärische Aktionen statt. Jugendorganisationen, Studentenverbände und Parteien wurden aufgelöst und es fanden Massenverhaftungen statt.
Viereinhalb Monate später rächten sich die Extremisten, indem sie zwei Sikh-Leibwächter Indira Gandhis dazu anstifteten, die Premierministerin am 31. Oktober 1984 zu erschießen. Dies wiederum löste, insbesondere in der Hauptstadt Neu-Delhi, eine grausame Sikh-Verfolgung aus, bei der gegen 3000 Sikhs ihr Leben verloren.
Obwohl die indische Regierung später den Akal Takht reparieren ließ, wollten die Sikhs den entweihten Bau nicht mehr nutzen und errichteten einen neuen Turm.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese schlimmen Vorkommnisse erst 36 Jahre zurückliegen.
Was diese traurigen Ereignisse wohl in der Gemeinschaft der Sikhs ausgelöst haben und noch heute für Spuren hinterlassen?
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Willst du mehr über die Geschichte des Punjabs erfahren?
Mehr über den Goldenen Tempel in Amritsar findest du hier:
https://meinlebeninindiendotblog.wordpress.com/2019/01/22/der-goldene-tempel-von-amritsar/
Jallianwallah Bagh, Amritsar:
https://meinlebeninindiendotblog.wordpress.com/2019/01/30/jallianwala-bagh-in-amritsar/
Informationen zum militärischen Spektakel an der Attari-Wagah-Border findest du hier:
https://meinlebeninindiendotblog.wordpress.com/2019/02/01/attari-wagah-border/
8 Antworten
Diese Ereignisse waren der Grund für die Sikhs die ich kennengelernt habe als junge Männer ihre Heimat in Richtung Europa zu verlassen. Solche Dinge wirken immer weit weg, wie du schreibst kaum zu glauben, dass das in den 80ern passiert ist aber ich sage das auch oft über die Balkankriege, das waren die 90 er und es war mitten in Europa, alles eigentlich unvorstellbar aber es passiert eben doch dauernd nur ist man nicht immer so nah dran, da vergisst man so leicht das irgendwo auf der Welt immer kriegerische Auseinandersetzungen passieren…
Genauso ist es! Passiert es nicht in unmittelbarer Nähe verdrängen wir schlimme Ereignisse und durch die tägliche Konfrontation durch die Medien stumpft man wohl auch zum eigenen Selbstschutz etwas ab.
Ich denke persönliche Betroffenheit – gleich ob durch räumliche Nähe oder auch einen persönlichen Bezug, wenn man eben jemanden kennt oder Familienangehörige dort hat oder z.B. dem gleichen Glauben angehört macht sowas immer „besser“ begreifbar und u.U. führt das dann auch dazu, dass man sich auf die eine oder andere Art engagieren will…
Da hast du vollkommen recht. Nur steht man solchen Ereignissen meist hilflos gegenüber :-(.