Gedanken über zwei Welten – Schweiz und Indien 

Gedanken über zwei Welten - Schweiz und Indien

Wir kommen kurz nach acht Uhr mit dem Zug in meinem Heimatdorf an. Wir sind die einzigen, die aussteigen und wir machen uns auf den Weg zum Haus meiner Mutter. Es ist still, die Straßen sind leer, man sieht keinen einzigen Menschen. “Wie ausgestorben”, murmelt mein Sohn. 

Die Schweiz ist wie ein Meditationscamp: still, ruhig, grün. Warum so viele spirituell Suchende ins chaotische, laute, überbevölkerte Indien reisen, um innere Ruhe zu finden, ist irgendwie seltsam. 

Beim Schlafen fehlt mir das Surren der Klimaanlage – es ist einfach zu still und zu heiß. Ich habe mich auf angenehme schweizerische Temperaturen gefreut und was bekomme ich? 35 Grad schweizerische Sommerhitze und dies ohne Ventilator und Klimaanlage. Ich vermisse mein Indien! 

Ich kann es echt nicht mehr nachvollziehen, wie die Schweizer es schaffen, sich mit Klopapier den Hintern zu putzen. Ansonsten ist doch alles so hygienisch und sauber, aber mit Klopapier? Ich vermisse meinen Wasserspritzer, der in Indien zu jeder Toilette gehört. Lustigerweise geht es unserem Sohn ebenso. 

Wir essen mehrheitlich bei meiner Mutter. Es gibt oft Salzkartoffeln und Bohnen aus dem Garten. Alles, was auf den Tisch kommt, schmeckt irgendwie nach Nichts. Es ist so schrecklich fade! Erst jetzt kann ich nachvollziehen, wie mein Mann bezüglich des Essens in der Schweiz gelitten haben muss.  Nur den Salat finde ich toll. Grüner Blattsalat aus dem eigenen Garten! Und natürlich das Brot, der Käse und die Schokolade! Ich schwelge auf Wolke 7! 

Wenn wir ein Geschäft oder ein Restaurant betreten, trifft mich fast der Schlag. Was? Alles ist so erschreckend teuer und ich ertappe mich immer wieder, dass ich in Rupees umrechne. Eine Hochpreisinsel ist die Schweiz. Nur spazieren ist hier erschwinglich. Dafür kann man das auch genießen, niemand stört und man hat seine Ruhe. Auch die Reisekosten mit dem Zug hauen mich fast aus den Socken.  

Plötzlich bin ich nichts Besonderes mehr. “Weiß sein” ist normal. Niemand behandelt mich mehr zuvorkommend, niemand starrt mich an, ich bin irgendwie unsichtbar. Das ist irgendwie angenehm. 

“Bärndütsch rede”, wie schön! Wieder mal richtig Mundart sprechen und alle verstehen mich. Ich kann mich so richtig ausdrücken, muss nicht nachdenken, kann einfach plaudern und das Zuhören strengt kein bisschen an. 

Ansonsten ist Berndeutsch für mich eine “Geheimsprache”, denn niemand außer meinem Mann und Sohn versteht es, was zugegebener Weise manchmal ganz gelegen kommen kann.   

An den Supermarktkassen staune ich nicht schlecht. Fast alle Kassen sind nun mit Scannern ausgestattet und man muss all die Arbeit, die früher die Kassiererin übernommen hat, selber erledigen. 

Hä? Alles ist so teuer und ich muss dann noch die Arbeit selber machen? Das würde in Indien niemals geschehen und es würde auch nicht funktionieren, da die meisten Leute ohne Überprüfung mogeln würden. 

Ich bin in Frankfurt und gehe zum Gate, wo der Flieger nach Chennai fliegt. Ich sehe es schon von weitem. Viele braune Menschen sitzen und warten auf den langen Sitzreihen. Als ich näher komme, höre ich das tamilische Geplapper. Es ist wie nach Hause kommen. Neugierige Blicke streifen mich. Irgendwie bin ich schon in Indien. Spätestens als die Familien mit Kindern aufgerufen werden, um einzusteigen, kommt Bewegung in die träge Gesellschaft und das Gedränge geht los, denn jeder will so schnell wie möglich einsteigen. “Welcome back to India”, denke ich mir. 

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