Dröhnend erschallen harsche, unfreundliche Parkanweisungen über Lautsprecher als wir die Kleinstadt Kanyakumari erreichen. Eine Heerschar von geparkten Bussen und Autos lassen mich schon Böses ahnen. Jährlich zieht es Millionen von Pilgern und Touristen nach Kanyakumari. Hässliche Neubauten reihen sich ohne Charme aneinander und der bedeckte Himmel, der bereits am Nachmittag für düstere Stimmung sorgt, macht es auch nicht wirklich besser.
Das soll dieser besondere Ort sein, wo man Sonnenaufgang und Sonnenuntergang vom selben Platz beobachten kann? Hier sollen sich die Bengalische See, der Indische Ozean und das Arabische Meer vereinen?
Meine Vorstellungen und Erwartungen waren eindeutig zu romantisch! Die Lautsprecher dröhnen nervend weiter und wir suchen unser Hotel, das im Stadtzentrum liegt, natürlich in einem dieser hässlichen Gebäudekomplexe. Wenigstens hat Prabhu die Zimmer im obersten Stock gebucht und auf der riesigen Dachterrasse bietet sich eine wunderschöne Aussicht auf das Meer.
![](https://irene-in-indien.com/wp-content/uploads/2018/10/image-12-1024x768.jpg)
Auf den zwei Felsen, die nicht weit von der Küste liegen, sehen wir das Vivekananda Memorial. Hier soll der berühmte indische Philosoph Vivekananda 1893 drei Tage lang meditiert haben. Auf dem anderen Felsen steht die über 40 m hohe Statue des tamilischen Dichters Tiruvallur. Beide Inseln kann man mit dem Boot besuchen. Auch entdeckten wir das Gandhi Mandapam, eine Gedenkstätte für den großen Mahatma Gandhi. Ein Teil seiner Asche wurde nach seinem Tod 1948 an dieser Stelle dem Meer übergeben.
Insgeheim habe ich mir den Sonnenuntergang und -aufgang schon in allen orange-roten Farbstufen vorgestellt. Das wird sicherlich tolle Fotos geben. Zuversichtlich hoffe ich, dass der Himmel gegen Abend aufklärt.
Etwas später machen wir uns auf den Weg zum berühmten Kumari Amman Tempel. Kumari Amman ist die jungfräuliche Göttin, die viele Gläubige zum Weinen bringt, wenn man zu ihr betet. Man glaubt, dass sie die Starrheit in unserem Geist auflösen kann. Dargestellt wird sie mit einer Gebetskette, einer Japamala und ihr Reittier ist ein Löwe oder ein Tiger.
Eigentlich sollte die junge Prinzessin Kumari mit Lord Shiva vermählt werden. Der Hochzeitstag und die Uhrzeit, die man genau einhalten musste, waren schon ausgemacht und Shiva war bereits auf dem Weg zu seiner Braut. Doch die Devas baten den Götterboten Narada inständig, die Hochzeit zu verhindern, da nur eine Jungfrau den mächtigen Dämon Banasura vernichten könnte. So täuschte Narada in der Form eines Hahnes eine falsche Uhrzeit vor.
![Die Göttin Kumari Amman](https://irene-in-indien.com/wp-content/uploads/2018/10/Kanyakumari-6-1024x1024.png)
Shiva, der dachte, dass er nicht pünktlich zur Hochzeit eintreffen würde, kehrte traurig um und die Hochzeit fand nicht statt. Kumari wurde sehr wütend, beschloss aber jungfräulich zu bleiben und weiterhin Lord Shiva die Treue zu halten. Ihr Zorn verlieh ihr ungeahnte Kräfte und später gelang es ihr, den mächtigen Dämon Banasura zu töten.
![Kumari Amman kämpft gegen den Dämon Banasura](https://irene-in-indien.com/wp-content/uploads/2018/10/Kanyakumari-5-1024x1024.png)
Auf dem Weg zum Tempel säumen viele Marktstände den Straßenrand. Aufdringliche Händler und Verkäufer bieten lautstark ihre Waren feil. Die Menschenmassen nehmen immer mehr zu und der Tempel erscheint eng und klein. Während unsere Gäste sich mit unserem Fahrer in den Tempel wagen , warten wir geduldig bei den Ghats. Keiner von uns hat Lust, sich in diese Menschenmenge zu stürzen.
Auch der Abend bringt uns kein Glück. Vom Sonnenuntergang ist nichts zu sehen und auch der Sonnenaufgang am nächsten Morgen versteckt sich hinter einer dichten Wolkendecke.
Obwohl man Kanyakumari eine gewisse spirituelle Atmosphäre nicht absprechen kann, bin ich nicht warm geworden mit diesem Ort. Vielleicht müsste ich Kanyakumari nochmals bei schönem Wetter und in der Nebensaison eine Chance geben. Mit solchen Bildern könnte Kanyakumari dann auftrumpfen.
![Kanyakumari](https://irene-in-indien.com/wp-content/uploads/2018/10/Kanyakumari-7-1024x1024.png)
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4 Antworten
Oahh, da war ich ich im Januar 24. Da steht man da so im Südzipfel Indiens, das Land wird immer schmaler und dann diese beiden Vorposten dort. Hat schon irgendwas, aber unabhängig von der Spiritualität, hätte ich mir gewünscht, dass sie aus dem „Süd-Zipfel“ mehr machen. Da waren halt ein paar Treppen ins Meer und sonst halt auch nichts.
Wie gesagt, ich wurde auch nicht richtig warm mit Kanyakumari, aber vielleicht war ich wirklich zur falschen Zeit dort. Es war Neumond und hatte super viele indische Touristen und das Wetter war wirklich schlecht. Im Tempel hatte es mir zu viele Menschen und der Kumari Amman Tempel ist auch sehr eng und die Decken sind tief. Da hätte ich Platzangst bekommen. Ja, man könnte sicherlich mehr aus diesem Ort machen. Liebe Grüsse Irène
Ich finde, manchmal muss man auch gar nichts aus solchen geografisch besonderen und symbolisch aufgeladenen Orten machen. Und denke dabei stellvertretend an die äußerste nach Norden gerichtete Nordspitze Neuseelands.
Dort, am Kap Reinga, läuft eine Hügelkette mit ein paar vorgelagerten Felsinselchen ins Meer aus wie das Rückgrat eines Riesentiers, von dem nur einige Wirbelhöcker aus dem Wasser ragen. Nach den alten religiösen Vorstellungen der Maori gehen dort die Seelen oder Geister Verstorbener ins Meer, um zu den Ahnen in die Urheimat fern im Norden Polynesiens zurückzukehren.
An diesem, wenn man so viel, spirituell hoch aufgeladenen Ort steht etwas zurückversetzt aus praktischen Gründen ein kleiner Leuchtturm, sonst nichts; aber der Zauber des Orts wirkt umso stärker auf den Betrachter ein, als es jedes ablenkende Bauwerk tun könnte.
Das stimmt! Da muss ich dir recht geben. In Indien ist es leider so, dass es fast überall viele Leute hat. Liebe Grüsse Irène