Aus meinem Tagebuch vom April 2007:
Am Frühstückstisch ist es wieder der Fall, dass unser Sohn nicht richtig essen mag. Ich mache mir deswegen keine Sorgen, nehme es gelassen, vertraue darauf, dass unser Sonnenschein sich schon das nimmt, was er braucht und das tut er auch. Mein Mann hat jedoch ständig das Gefühl, dass unser Sohn zu wenig isst und stresst mit der Esserei. Dabei ist unser Sohn gewichtsmäßig völlig in der Norm. Kaum ist Suriyan nur etwas erkältet, meinen unsere indischen Verwandten sofort, dass er Gewicht verloren hat!
Schnell merke ich, dass indische Mütter und Väter komplett anders ticken. Eine indische Mutter trägt das Essen dem Kind nach, überall hin und füttert es auf dem Sofa, auf dem Fahrrad, ….. Ob es sitzt, steht, rennt oder am Boden krabbelt, ist egal. Die Hauptsache ist, dass die Nahrung aufgenommen wird. Das Kind selbst essen zu lassen, ist hier nicht üblich und die Fütterung dauert teilweise bis ins Schulalter. Ich, aus der Schweiz kommend, zweifle diese Methode natürlich an, finde dies, na ja wie soll ich sagen, eher Essensverwöhnung oder Essensverziehung? Ich vertrete die These „Üben der Tischsitten“, denn was gibt es Schöneres als harmonisch am Familientisch zu sitzen und gemeinsam das feine Essen zu genießen? Das ist doch wahrlich ein Kulturgut, das es zu erhalten gibt. Hier in Indien findet gemeinsames Essen mit der ganzen Familie weniger statt. Meistens bedient die Hausfrau die Familie und isst dann später alleine.
Doch heute, ich weiß nicht, was mich dazu getrieben hat (war wohl indisch inspiriert), habe ich diese indische Fütterung durch Verfolgung ausprobiert. Resultat: Es funktioniert! Sogar sehr gut! Im Hof draußen hat unser Suriyan doch tatsächlich ein ganzes Dosai mit Drumsticks gegessen und Prabhu, der draussen die Zeitung las, murmelte etwas von Fitnessprogramm für die Mutter.