Krieg zwischen Indien und Pakistan

Krieg zwischen Indien und Pakistan?

Heute Morgen finde ich eine E-Mail der Schweizerischen Botschaft in meinem Postfach. Ein paar Zeilen, eigentlich nichts Neues. Jeder, der in Indien lebt, weiß längst, was im Moment zwischen Indien und Pakistan abgeht.

Die Nachrichten berichten seit Tagen über nichts anderes. Die Schlagzeilen überschlagen sich: Terroranschläge, Gegenschläge, Operation Sindoor, Luftangriffe, diplomatische Drohungen.

Und jetzt also die Botschaft.

„Dear compatriots…“ – So fängt sie an, die Mail. Die übliche Höflichkeit. Der Ton sachlich, nüchtern, vorsichtig formuliert. Es geht um die angespannte Lage, mögliche Flugausfälle, den Hinweis, die Medien zu verfolgen. Die Schweizer Vertretungen seien offen und funktionstüchtig. Keine Panikmache, aber doch eine dieser seltenen Mitteilungen, die man nicht einfach ignoriert.

Solche Mails habe ich in all den Jahren in Indien nur zweimal zuvor bekommen:

Das erste Mal während der großen Chennai-Flut 2015 – als das Wasser in unserem Haus fast kniehoch stand, die Stromversorgung zusammenbrach und die Botschaft sich per E-Mail erkundigte, ob wir in Sicherheit seien.

Das zweite Mal während der Corona-Pandemie, als niemand mehr wusste, wie es weitergeht.

Dass nun auch dieser Konflikt eine solche Mitteilung auslöst, zeigt, wie ernst die Lage eingeschätzt wird.

Die Operation „Sindoor“ läuft weiter. Heute wurden weitere Ziele in Pakistan von den indischen Streitkräften angegriffen. Scheinbar wollte man den Pakistanis zuvorkommen. Die Operation ist – anders als manche gehofft hatten – nicht abgeschlossen.

Das bedeutet: Die Situation bleibt angespannt. Sehr angespannt.

„Sindoor“ ist übrigens der rote Punkt, den verheiratete Frauen am Haaransatz tragen. Symbolisch steht „Sindoor“ in diesem Zusammenhang für all die Frauen, die am 22. April mitansehen mussten, wie ihre Männer durch Terroristen zu Witwen gemacht wurden. Sie alle tragen jetzt keinen Sindoor mehr.

Sindoor
Sindoor, der rote Punkt am Haarscheitel für die verheiratete Frau

Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich weit weg von der pakistanischen Grenze lebe. Hier im Süden ist alles ruhig. Gestern fanden auch in Tamil Nadu einige Sicherheitsübungen statt – unter anderem im nahegelegenen Atomkraftwerk Kalpakkam. Doch die Nachrichten aus dem Norden wirken bedrohlich. Es ist dieses seltsame Gefühl, wenn man inmitten des Alltags realisiert, dass es nur ein paar Flugstunden entfernt ganz anders aussieht.

An der Grenze braut sich etwas zusammen. Und der Hass zwischen Hindus und Muslimen nimmt spürbar zu.

Doch warum sind Indien und Pakistan eigentlich Erzfeinde?

Alles begann 1947, als die Briten ihre Kolonie „British India“ verließen. Willkürlich wurde das Land geteilt: in das überwiegend hinduistische Indien und das muslimische Pakistan. Der Maharadscha von Jammu und Kaschmir – ein Hindu – regierte über ein mehrheitlich muslimisches Gebiet und wollte eigentlich unabhängig bleiben. Doch als pakistanische Kämpfer in sein Gebiet eindrangen, bat er Indien um Hilfe. Indien schickte Truppen – unter der Bedingung, dass Kaschmir dem indischen Staat beitritt. So begann der erste Krieg zwischen Indien und Pakistan (1947–48).

Kashmir, die Schweiz Indiens
Um diese wunderschöne Landschaft, die Schweiz Indiens, wird seit Jahren immer wieder gestritten

Heute ist Kaschmir geteilt:

  • Der größere Teil gehört zu Indien (Unionsterritorien Jammu, Kaschmir und Ladakh)
  • Ein kleinerer Teil steht unter pakistanischer Kontrolle (Azad Kashmir und Gilgit-Baltistan)
  • Ein kleiner Teil im äußersten Norden wird von China kontrolliert (Aksai Chin)

Und dazwischen liegt die Line of Control.

Die Line of Control ist eine Waffenstillstandslinie, die das umstrittene Gebiet seit dem Krieg von 1971 in zwei Teile trennt. Sie ist keine internationale Grenze, sondern eine militärische Trennungslinie auf Grundlage eines Waffenstillstandsabkommens. Dennoch wird sie regelmäßig überschritten – mit Schusswechseln, Angriffen und Spannungen, die nie ganz verschwinden.

Wie es weitergeht, weiß wohl niemand. Vielleicht beruhigt sich die Lage in ein paar Tagen wieder – vielleicht eskaliert sie noch mehr. 

Fürs Erste bleibt nur, wachsam zu bleiben, die Entwicklungen zu verfolgen und positiv zu bleiben. Eine Reise nach Nordindien würde ich im Moment jedoch nicht planen.

Update: Noch in der Nacht vom 8. Mai, kurz nachdem ich den Artikel veröffentlicht habe, hat Pakistan mehrere Ziele in den Grenzregionen Indiens angegriffen. Der Krieg hat begonnen …

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