Als ich nach Indien kam, war es eine ganz neue Erfahrung für mich, mit Hausgeckos unter einem Dach zu leben. In der Schweiz kannte ich diese flinken kleinen Jäger nicht, doch hier in Indien teilen wir unser Zuhause mit vier bis schätzungsweise acht dieser Tiere. Anfangs fand ich ihre Anwesenheit gewöhnungsbedürftig, aber inzwischen sind sie mir ans Herz gewachsen. Sie haben nämlich eine sehr nützliche Funktion: Sie fressen Moskitos, Kakerlaken und anderes Ungeziefer, das ich lieber nicht in meinem Haus haben möchte. Eine Win-Win-Situation für uns alle!

Geckos sind scheue, aber beeindruckend schnelle Tiere. Besonders aktiv sind sie nachts, wenn sie auf die Jagd gehen. Tagsüber verstecken sie sich in Ritzen und Spalten, was sie am Tag weniger sichtbar macht. Trotzdem gibt es Momente, in denen sie plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen, was mich schon so manches Mal erschreckt hat. 

Wenn man Geckos genauer beobachtet, fällt sofort ihre außergewöhnliche Kletterkunst auf. Dank der Haftlamellen und winzigen Krallen an ihren Füßen können sie problemlos an glatten Wänden und sogar an Glasscheiben emporklettern. Manchmal sieht man sie kopfüber an der Decke hängen, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt. Diese Fähigkeit hat mich von Anfang an fasziniert, und ich finde es immer wieder spannend, ihnen dabei zuzusehen. In Notfällen können Geckos übrigens wie Eidechsen ihren Schwanz abwerfen, um Feinde abzulenken. Der Schwanz wächst dann langsam nach, wobei wichtige Fettreserven im Schwanz gespeichert sind.

Auch die Kommunikation der Geckos ist einzigartig. Sie rufen sich gegenseitig mit einem lauten Schnalzen, das mich am Anfang ziemlich überrascht hat. Dieses Geräusch ist so markant, dass es unmöglich ist, es zu überhören. 

Inzwischen beobachte ich auch die kleinen Babygeckos, die hin und wieder auftauchen. Es ist erstaunlich, wie flink sie schon von Anfang an sind. Sie scheinen genauso scheu wie die Erwachsenen und flitzen blitzschnell davon, wenn man sich ihnen nähert.

Eines der kuriosesten Erlebnisse hatte ich vor ein paar Tagen, als plötzlich ein Gecko aus meiner Besteckschublade sprang. Bevor ich mich überhaupt richtig orientieren konnte, berührte er kurz meine rechte Hand und verschwand dann genauso schnell wieder, wie er gekommen war. In diesem Moment wusste ich, dass ich meine Liste heraussuchen musste. Auf der Rückseite des tamilischen Kalenders gibt es nämlich eine detaillierte Aufstellung über die Bedeutung von Gecko-Begegnungen. Da die Inderinnen und Inder sehr abergläubisch sind, versuchen sie mit vielerlei Dingen, die Zukunft zu deuten. So auch bei den Geckos. Je nachdem, welchen Körperteil der Gecko berührt, kann das unterschiedliche Vorhersagen für die Zukunft machen.

Körperteil	Rechte Seite	Linke Seite
Auge	Genuss	Angst
Magen	Geschenk	Freude
Po	Genuss	Vermögen
Ohr	Langes Leben	Gewinn
Fuss	Reise	Genuss
Arm	Schlechte Zeiten	Genuss
Hand	Schlechte Zeiten	Guter Ruf
Nägel	Geldausgabe	Verlust
Brust	Gewinn	Genuss
Stirn	Gute Zeiten	Arbeit
Rücken	Verlust	Trauer
Schulter	Erfolg	Genuss
Zehen	Angst	Krankheit
Bein	Trauer	Unruhe

Leider sah es in meinem Fall nicht besonders gut aus. Laut der Liste stehen mir schwere Zeiten bevor. Das ist natürlich nicht gerade das, was man hören möchte. Glücklicherweise nehme ich diese Dinge mit Humor. 

In Tamil Nadu sagt man auch, dass wenn eine Person etwas erzählt und gleichzeitig ein Gecko zu hören ist, dass diese Person die Wahrheit spricht. Also sind Geckos eine Art Lügendetektor ;-)!

Hausgeckos sind nicht nur nützlich, sondern auch ein fester Bestandteil des indischen Alltags. Sie sind nahezu überall zu finden – in Häusern, Restaurants, und sogar in Geschäften. Manchmal sieht man sie an den Wänden von Tempeln oder an Straßenlaternen, wo sie in der Nacht auf Beute lauern. Sie sind eine Art unsichtbare Mitbewohner, die man nach und nach zu schätzen lernt. Ich jedenfalls möchte sie in meinem Haus nicht mehr missen.